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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Clairmont lachend. Er fuhr das Fenster nach unten und tippte eine Zahlenfolge in ein blank poliertes Tastenfeld ein. Ein Laut ertönte, und die Torflügel schwangen auf.
    Splitt knirschte unter den Reifen, als wir kurz darauf durch ein zweites Tor rollten, das noch älter war als das erste. Hier waren keine schmiedeeisernen Schnörkel eingearbeitet, dafür verband ein Torbogen Backsteinmauern, niedrige diesmal. Oben auf dem Torbogen thronte wie eine Laterne ein kleiner Aufsatz mit Fenstern nach allen vier Seiten. Links vom Tor stand ein prachtvolles Backsteintorhaus mit verschnörkelten Schornsteinen und Bleiglasfenstern. Auf einer kleinen Messigplakette mit verwittertem Rand die Aufschrift: THE OLD LODGE.
    »Wie schön«, hauchte ich.
    »Dachte ich mir doch, dass dir das gefällt.« Der Vampir sah ausgesprochen zufrieden aus.
    In der langsam dichter werdenden Dunkelheit fuhren wir in einen Park ein. Das Brummen des Motors zersprengte ein kleines Rudel von Hirschen, die sich in den schützenden Schatten verzogen, sobald die
Scheinwerfer des Jaguars über sie hinwegstrichen. Wir fuhren über eine geschwungene Auffahrt einen kleinen Hügel hinauf. Als wir oben angekommen waren und die Scheinwerfer in die schwarze Nacht hinausleuchteten, wurden wir langsamer.
    »Dort«, sagte Clairmont und deutete mit der linken Hand auf ein zweistöckiges Herrenhaus aus der Tudorzeit. Die Backsteine glühten im Strahl mächtiger Scheinwerfer, die durch das Geäst knorriger alter Eichen hindurch die Fassade des Gebäudes erhellten.
    Ich war so perplex, dass ich fluchen musste. Clairmont sah mich verdattert an und begann dann leise zu lachen.
    Er lenkte den Wagen auf die kreisrunde Auffahrt und stellte ihn hinter einem nagelneuen Audi-Sportwagen ab. Dort parkten bereits ein Dutzend Wagen, und immer noch schwenkten Scheinwerfer über den Hügel.
    »Und du bist sicher, dass ich hierherpasse?« Ich machte seit über zehn Jahren Yoga, aber das hieß nicht, dass ich besonders gut war. Ich war gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihn zu fragen, ob das vielleicht eine jener Yogagruppen war, in denen die Teilnehmer auf einem Unterarm balancierten und ihre Füße rückwärts über den Kopf nach vorn streckten.
    »Es ist eine gemischte Gruppe«, versicherte er mir.
    »Okay.« Trotz seiner lockeren Antwort verstärkte sich meine Angst.
    Clairmont holte unsere Yogamatten aus dem Kofferraum. Absichtlich langsam, gerade gingen die letzten Ankömmlinge auf die breite Eingangstür zu, kam er an meine Tür und streckte die Hand aus. Das ist neu , fiel mir auf, bevor ich meine Hand in seine legte. Da war immer noch ein leichtes Unwohlsein, wenn wir uns berührten. Er war so schrecklich kalt, und der Kontrast zwischen unseren Körpertemperaturen ließ mich jedes Mal zurückzucken.
    Der Vampir hielt locker meine Hand und zog dann ganz behutsam an, um mir beim Aussteigen zu helfen. Ehe er mich losließ, drückte er sanft aufmunternd meine Finger. Überrascht sah ich ihn an und merkte, dass er ebenso überrascht aussah. Sofort wandten wir beide verwirrt den Blick ab.

    Das Gutshaus war erstaunlich gut erhalten. Die Besitzer hatten verhindert, dass spätere Architekten symmetrische georgianische Fenster einsetzten oder protzige viktorianische Wintergärten anfügten. Es war, als hätten wir eine Zeitreise unternommen.
    »Unglaublich«, murmelte ich.
    Clairmont grinste und schob mich durch eine hohe Holztür, die von einem eisernen Türstopper aufgehalten wurde. Mir stockte der Atem. Von außen war der Bau bemerkenswert, innen war er atemberaubend. In alle Richtungen erstreckten sich matt polierte, warm schimmernde Vertäfelungen, die wie Faltenvorhänge geschnitzt waren. Jemand hatte in dem riesigen Kamin Feuer gemacht. Der lange Tisch und die Bänke fügten sich perfekt in den Stil des Hauses, und allein die elektrische Beleuchtung verriet, dass wir im einundzwanzigsten Jahrhundert geblieben waren.
    Vor den Bänken aufgereiht standen Schuhe, und auf den Sitzflächen aus dunkler Eiche türmten sich Berge von Mänteln und Jacken. Clairmont legte seine Schlüssel auf dem Tisch ab und zog die Schuhe aus. Ich streifte meine ebenfalls von den Füßen und folgte ihm.
    »Du weißt doch noch, dass ich gesagt habe, es sei eine gemischte Gruppe?«, fragte der Vampir, als wir vor einer Tür standen, die in die Vertäfelung eingelassen war. Ich sah auf und nickte. »Das stimmt auch. Trotzdem gibt es nur einen Weg, in diesen Raum zu kommen  – du musst einer von uns

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