Seelen der Nacht
folgten Amira durch die Vinyasas . Wir schwangen die Arme zur Decke hoch, bevor wir unsere Hände neben den Füßen absetzten.
Wir streckten uns in die Waagerechte, ließen ein Bein zwischen den Händen und schoben es dann nach hinten, als wollten wir Liegestütze machen. Dutzende von Dämonen, Vampiren und Hexen reckten und beugten ihre Körper in eleganten, auf- und abwärtsgerichteten Bewegungen. Wir richteten uns wieder auf und hoben die Arme erneut über unsere Köpfe, bevor wir schließlich sanft die Handflächen aufeinanderlegten. Dann ließ uns Amira den Zyklus in unserem eigenen Tempo absolvieren. Sie drückte einen Knopf auf ihrer Fernbedienung, und eine langsame, melodische Version von Elton Johns Rocket Man , seltsamerweise passte der Song perfekt, erfüllte den Raum.
Ich wiederholte die vertrauten Bewegungsabläufe im Rhythmus der Musik, atmete in meine verspannten Muskeln und ließ vom Fluss der Bewegungen alle Gedanken aus meinem Kopf schwemmen. Nachdem wir den Ablauf zum dritten Mal in Angriff genommen hatten, verstärkte sich die Energie im Raum.
Drei Hexen schwebten einen halben Meter über den Holzdielen.
»Bleibt geerdet«, sagte Amira sachlich.
Zwei senkten sich lautlos nieder. Der dritte, ein Hexer, musste eine Art Kopfsprung ausführen, um wieder auf den Boden zu gelangen, und er kam mit den Händen vor den Füßen auf.
Sowohl die Dämonen als auch die Vampire hatten Probleme mit dem Tempo. Ein paar Dämonen bewegten sich so langsam, dass ich mich schon fragte, ob sie festhingen. Die Vampire hatten das gegenteilige Problem, ihre kraftvollen Muskeln zogen sich ruckartig zusammen und lösten sich genauso abrupt wieder.
»Ganz sanft«, murmelte Amira. »Nichts überstürzen, nichts erzwingen.«
Allmählich kam die Energie im Raum wieder zur Ruhe. Amira führte uns durch eine Reihe von aufrechten Positionen. Hier waren die Vampire eindeutig im Vorteil, da sie jede Stellung mühelos minutenlang halten konnten. Bald war es mir egal, wer mit mir im Raum war oder ob ich vielleicht nicht gut genug war für diesen Kurs. Es gab nur noch den Augenblick und die Bewegung.
Als wir uns schließlich zu den Rückenübungen und Umkehrungen
auf den Boden legten, waren alle im Raum durchgeschwitzt – alle außer den Vampiren, die nicht einmal außer Atem geraten waren. Einige Teilnehmer begaben sich in todesmutige Balancepositionen oder Handstände, aber ich gehörte nicht dazu. Clairmont allerdings schon. Einmal sah ich aus dem Augenwinkel, wie er nur mit dem Ohr den Boden zu berühren schien, während der ganze Körper in perfektem Einklang darüber thronte.
Am schwersten fiel mir regelmäßig die letzte Übung – die Totenstellung oder Savasana . Flach auf dem Rücken zu liegen, ohne mich zu bewegen, war mir fast unmöglich. Dass jeder andere die Stellung so entspannend fand, verstärkte meine Ängste nur. Ich blieb so still wie möglich liegen, hatte die Augen geschlossen und gab mir Mühe, nicht zu zucken. Leise Schritte näherten sich und blieben zwischen mir und dem Vampir stehen.
»Diana«, flüsterte Amira. »Diese Position ist nichts für dich. Leg dich auf die Seite.«
Meine Lider flogen auf. Zutiefst beschämt, dass sie mein Geheimnis aufgedeckt hatte, blickte ich in die großen schwarzen Augen der Hexe.
»Roll dich ein.« Verblüfft befolgte ich ihre Anweisung. Augenblicklich entspannte sich mein Körper. Sie tätschelte mir leicht die Schulter. »Und lass die Augen ruhig offen.«
Ich lag mit dem Gesicht zu Clairmont. Amira drehte das Licht herunter, doch seine weiß schimmernde Haut leuchtete so, dass ich sein Gesicht gut erkennen konnte.
Im Profil sah er aus wie einer der steinernen mittelalterlichen Ritter auf den Grabstätten in der Westminster Abbey: lange Beine, langer Rumpf, lange Arme und ein erstaunlich kräftiges Gesicht. Er strahlte etwas Altertümliches aus, dabei schien er nur ein paar Jahre älter zu sein als ich. Insgeheim fuhr ich mit einem imaginären Finger seine Stirn nach, vom ungleichmäßigen Haaransatz an den Schläfen aus nach oben über den leicht hervorstehenden Augenbrauenbogen mit den dichten, schwarzen Brauen. Anschließend strich mein imaginärer Finger über seine Nasenspitze und die geschwungenen Lippen.
Ich zählte seine Atemzüge ab. Bei zweihundert hob sich sein Brustkorb. Danach senkte er sich lange, lange nicht mehr.
Schließlich erklärte uns Amira, dass es Zeit sei, wieder in die Welt draußen zurückzukehren. Matthew schlug die Augen auf.
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