Seelen der Nacht
große Herausforderung. Als ich damals nachts in ihr Haus eingebrochen bin, wollte ich sie nur einmal probieren. Aber sobald ich angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Und doch konnte ich sie nicht sterben lassen – sie gehörte mir, und ich wollte sie auf keinen Fall aufgeben. Ich hörte gerade noch rechtzeitig auf zu trinken. Dieu , wie hat sie es gehasst, ein Vampir zu sein. Irgendwann marschierte Cecilia in ein brennendes Haus, ohne dass ich sie daran hätte hindern können.«
Hamish zog die Stirn in Falten. »Dann hast du sie nicht umgebracht, Matt. Sie hat sich selbst umgebracht.«
»Aus reinem Egoismus und aus Angst habe mich von ihr genährt, bis sie auf der Schwelle des Todes stand, dann habe ich sie gezwungen, mein Blut zu trinken und sie damit ohne ihre Einwilligung in ein magisches Wesen verwandelt«, widersprach er aufgebracht. »Inwiefern habe ich sie nicht umgebracht? Ich habe ihr das Leben, die Persönlichkeit, die Lebensfreude geraubt – das ist Tod, Hamish.«
»Warum hast du mir nie davon erzählt?« Hamish gab sich Mühe, nicht enttäuscht zu sein, dass sein Freund ihm das verschwiegen hatte.
»Selbst Vampire empfinden Scham«, sagte Matthew gepresst. »Ich hasse mich für das, was ich diesen Frauen angetan habe – und zwar zu Recht.«
»Genau darum musst du aufhören, Geheimnisse zu horten, Matt. Sie fressen dich auf.« Hamish legte sich zurecht, was er sagen wollte, bevor er fortfuhr: »Du hattest nie vor, Eleanor und Cecilia umzubringen. Darum bist du auch kein Mörder.«
Matthew stemmte die Fingerspitzen gegen den weiß lackierten Fensterrahmen
und ließ die Stirn gegen die kalte Scheibe sinken. Als er antwortete, klang seine Stimme tonlos und tot. »Nein, ich bin ein Monster. Eleanor hat mir damals vergeben. Cecilia nie.«
»Du bist kein Monster.« Matthews Tonfall machte Hamish Sorgen.
»Und selbst wenn nicht, bin ich trotzdem gefährlich.« Er drehte sich zu Hamish um. »Vor allem für Diana. Nicht einmal bei Eleanor habe ich etwas Ähnliches empfunden.« Schon der bloße Gedanke an Diana ließ den Durst zurückkehren und die Anspannung sich von seinem Herzen bis in seinen Unterleib ausbreiten.
»Komm wieder her und spiel die Partie zu Ende.« Hamishs Stimme war rau.
»Ich könnte gehen, Hamish«, sagte Matthew unsicher. »Falls du mich nicht mehr unter deinem Dach beherbergen möchtest.«
»Mach dich nicht lächerlich«, erwiderte Hamish scharf. »Du gehst nirgendwohin.«
Matthew setzte sich wieder. »Ich begreife nicht, wie du das mit Eleanor und Cecilia wissen kannst, ohne mich zu hassen«, sagte er nach langem Schweigen.
»Ich wüsste nicht, was du tun könntest, damit ich dich hasse, Matthew. Ich liebe dich wie einen Bruder, und das wird sich bis zu meinem letzten Atemzug nicht ändern.«
»Danke«, sagte Matthew mit düsterem Gesicht. »Ich werde versuchen, mir deine Treue zu verdienen.«
»Versuch es nicht. Tu es einfach«, wehrte Hamish barsch ab. »Übrigens wirst du gleich deinen Läufer verlieren.«
Die beiden wandten sich mühsam wieder ihrem Spiel zu und brüteten immer noch über dem Brett, als Jordan in den frühen Morgenstunden einen Kaffee für Hamish und eine Flasche Port für Matthew servierte. Kommentarlos klaubte der Butler das zerbrochene Weinglas auf, und Hamish schickte ihn ins Bett.
Als Jordan gegangen war, warf Hamish einen kurzen Blick auf das Brett und setzte seinen letzten Zug. »Schachmatt.«
Matthew atmete tief aus, ließ sich zurücksinken und starrte auf das Schachbrett. Seine Königin war umringt von seinen eigenen Figuren –
Bauern, ein Pferd und ein Turm. Am anderen Ende des Brettes stand verloren sein König mit einem einsamen schwarzen Bauern. Das Spiel war zu Ende, er hatte verloren.
»Es geht beim Schach nicht darum, die Königin zu beschützen«, sagte Hamish. »Warum kannst du dir nicht merken, dass der König die eine Figur ist, die du auf keinen Fall verlieren darfst?«
»Der König sitzt immer nur da und zieht höchstens ein Feld weiter. Die Königin kann sich so frei bewegen, dass ich lieber verliere, als sie ihrer Freiheit zu berauben, nehme ich an.«
Hamish fragte sich, ob er das Schachspiel meinte oder Diana. »Ist sie dir das wert, Matt?«, fragte er leise.
»Ja«, antwortete Matt ohne zu zögern. Er nahm die weiße Königin vom Brett und hielt sie zwischen zwei Fingern.
»Das dachte ich mir«, sagte Hamish. »Du wirst das im Moment bestimmt anders sehen, aber du kannst dich glücklich
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