Seelen der Nacht
Sarah. Ich bin auch in der Bodleian von Vampiren und Dämonen umgeben. Clairmont kam am Montagabend in die Bibliothek, weil er zwei Hexen darüber reden gehört hatte und weil er hoffte, einen Blick auf das Manuskript werfen zu können. Schon am Dienstag war die Bibliothek voll mit nichtmenschlichen Geschöpfen.«
»Geht das wieder los«, seufzte Sarah. »Noch bevor der Monat um ist, werden die ersten Dämonen in Madison auftauchen und nach dir suchen.«
»Bestimmt gibt es in Oxford Hexen, die dir helfen können.« Em gab sich Mühe, möglichst gefasst zu klingen, aber ich hörte ihr die Angst an.
»Es gibt hier durchaus Hexen«, bestätigte ich unschlüssig, »aber sie wollen mir nicht unbedingt helfen. Ein Hexer in einem braunen Tweedmantel hat versucht, in meinen Kopf einzudringen. Und es wäre ihm sogar gelungen, wäre Matthew nicht gewesen.«
»Der Vampir hat sich zwischen dich und eine andere Hexe gestellt?«
Em war entsetzt. »Das darf nicht passieren. Niemand, der nicht zu uns gehört, mischt sich in die Angelegenheiten zweier Hexen ein.«
»Ihr solltet ihm dankbar sein!« Vielleicht ließ ich mich nicht gern von Clairmont belehren, vielleicht wollte ich auch nicht mehr mit ihm frühstücken, aber das hier hatte der Vampir nicht verdient. »Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn er nicht da gewesen wäre. Keine Hexe ist je so … in mich eingedrungen.«
»Vielleicht solltest du vorübergehend aus Oxford verschwinden«, schlug Em vor.
»Ich lasse mich nicht vertreiben, nur weil sich hier ein Hexer ohne Manieren herumtreibt!«
Em und Sarah tuschelten kurz über den abgedeckten Hörern.
»Mir gefällt das ganz und gar nicht«, sagte meine Tante schließlich, und sie klang so, als wäre die Welt in Gefahr. »Verhexte Bücher? Dämonen, die dich verfolgen? Vampire, die mit dir zum Yoga gehen? Hexer, die eine Bishop bedrohen? Hexen sollten so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen, Diana. Selbst die Menschen werden irgendwann ahnen, dass da etwas faul ist.«
»Wenn du in Oxford bleibst, musst du dich unauffälliger verhalten«, pflichtete Em ihr bei. »Und wenn das nicht möglich ist, wäre es kein Schaden, wenn du heimkommen würdest, bis sich die Lage beruhigt hat. Schließlich hast du das Manuskript nicht mehr. Vielleicht verlieren sie bald das Interesse an dir.«
Das hielt keiner von uns für wahrscheinlich.
»Ich werde nicht weglaufen.«
»Das würdest du auch nicht«, protestierte Em.
»Und ob.« Und ich würde mich bestimmt nicht feige zeigen, solange Matthew Clairmont in meiner Nähe war.
»Er kann dich nicht rund um die Uhr bewachen«, sagte Em traurig, als hätte sie meine unausgesprochenen Gedanken belauscht.
»Wohl kaum«, meinte Sarah düster.
»Ich brauche Matthew Clairmonts Hilfe nicht. Ich kann auf mich selbst aufpassen«, gab ich zurück.
»Diana, dieser Vampir beschützt dich nicht aus reiner Herzensgüte«,
bedrängte mich Em. »Du stehst für etwas, das er haben will. Du musst herausfinden, was das ist.«
»Vielleicht interessiert er sich ja wirklich für Alchemie. Vielleicht ist ihm nur langweilig.«
»Vampire langweilen sich nicht«, erklärte Sarah spitz. »Nicht wenn sie Hexenblut riechen können.«
Gegen die Vorurteile meiner Tante war kein Kraut gewachsen. Ich war versucht, ihr vom Yogaunterricht zu erzählen, wo ich mich eine wunderbare Stunde lang vor keinem anderen Wesen gefürchtet hatte. Aber das hätte nichts gebracht.
»Es reicht.« Ich sagte das mit Nachdruck. »Okay, ich werde Matthew Clairmont nicht näher an mich heranlassen, und ihr braucht euch keine Gedanken zu machen, dass ich mit irgendwelchen verhexten Manuskripten herumhantieren könnte. Aber ich bleibe in Oxford, damit basta.«
»Na schön«, sagte Sarah. »Aber wir können von hier aus nur wenig ausrichten, falls dir irgendwas passiert.«
»Ich weiß, Sarah.«
»Und wenn du das nächste Mal etwas Magisches in die Finger bekommst – ganz gleich, ob du damit gerechnet hast oder nicht –, dann benimm dich wie die Hexe, die du bist, und nicht wie ein dämlicher Mensch. Ignoriere die Magie nicht, und versuch nicht dir einzureden, dass du dir alles nur einbildest.« Absichtliche Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber allem Übernatürlichen standen ganz oben auf Sarahs Liste von ärgerlichen menschlichen Schwächen. »Behandle es mit Respekt, und wenn du nicht weißt, was du damit anfangen sollst, dann frag um Hilfe.«
»Versprochen«, bestätigte ich eilig, weil ich vom Telefon
Weitere Kostenlose Bücher