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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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hinüber.
    »Alles wunderbar.« Ich nannte ihm die übliche Platznummer und schenkte ihm, als er nicht beruhigt schien, ein warmherziges Lächeln.
    Wie kann Miriam es wagen, so mit mir zu sprechen? Innerlich kochend ließ ich mich an meinem Platz nieder.
    Meine Finger juckten, als würden Hunderte von Insekten unter meiner Haut krabbeln. Winzige blaugrüne Funken zuckten zwischen den Fingerspitzen auf. Eilig setzte ich mich auf meine Hände.
    Das war gar nicht gut. Wie alle Mitglieder der Universität hatte ich einen Eid geschworen, keine leicht entzündlichen Dinge und kein offenes Feuer mit in die Bibliothek zu bringen. Das letzte Mal hatten sich meine Finger so aufgeführt, als ich dreizehn gewesen war, und damals mussten wir die Feuerwehr rufen, um den Brand in der Küche zu löschen.
    Als das Brennen und Knistern nachließ, sah ich mich aufmerksam um und seufzte dann erleichtert auf. Ich war allein im Selden End. Niemand hatte mein kleines Privatfeuerwerk bemerkt. Ich zog die Hände wieder unter den Schenkeln hervor und untersuchte sie auf weitere Anzeichen übernatürlicher Aktivität. Langsam wich die Spannung aus meinen Fingerspitzen, und das Blau verfärbte sich zu silbrigem Grau.
    Ich öffnete den ersten Karton erst, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich ihn nicht in Brand setzen würde, und tat dabei so, als sei gar nichts passiert. Trotzdem zögerte ich, meinen Computer anzufassen, aus Angst, dass meine Finger einen Kurzschluss auslösen könnten.
    Wie nicht anders zu erwarten, konnte ich mich kaum konzentrieren und brütete mittags immer noch über dem ersten Manuskript. Vielleicht würde etwas Tee mich beruhigen.
    Nachdem das Semester inzwischen begonnen hatte, hätte man erwartet, ein paar menschliche Leser in der mediävistischen Abteilung des
Duke-Humfrey-Lesesaals zu finden. Heute war hier nur ein Mensch: eine ältere Frau, die mit einem Vergrößerungsglas eine mit Miniaturen verzierte Handschrift untersuchte. Eingezwängt saß sie zwischen einem mir unbekannten Dämon und einem der weiblichen Vampire von letzter Woche. Auch Gillian Chamberlain war da, zusammen mit vier weiteren Hexen, und fixierte mich finster, so als hätte ich unsere gesamte Spezies enttäuscht.
    Ich eilte an ihnen vorbei und blieb nur kurz an Miriams Platz stehen. »Ich nehme an, man hat Sie beauftragt, mich auch mittags zu beschatten. Kommen Sie mit zum Essen?«
    Sie legte ihren Stift mit übertriebener Sorgfalt ab. »Nach Ihnen.«
    Bis ich zur Hintertreppe kam, hatte Miriam mich schon überholt. Sie deutete auf die Treppe an der anderen Seite. »Gehen Sie da drüben runter.«
    »Warum? Was macht das für einen Unterschied?«
    »Wie Sie meinen.« Sie zuckte mit den Achseln.
    Ein Stockwerk tiefer warf ich einen Blick durch das kleine Fenster, das in die Schwingtür zu einem weiteren Lesesaal eingelassen war, und mir stockte der Atem.
    Der Raum war gesteckt voll mit nichtmenschlichen Kreaturen. Sie hatten sich voneinander abgesondert. An einem langen Tisch hockten ausschließlich Dämonen, die umso mehr Verdacht erregten, als kein einziges Buch  – geöffnet oder geschlossen  – vor ihnen lag. An einem anderen Tisch saßen die Vampire, vollkommen reglos und ohne zu blinzeln. Die Hexen gaben sich beschäftigt, aber ihre strengen Stirnfalten zeugten eher von Ärger als von Konzentration, denn die Dämonen und Vampire hatten alle Tische nahe dem Treppenhaus belegt.
    »Kein Wunder, dass wir uns nicht mischen sollen. Das muss sogar den Menschen auffallen«, bemerkte Miriam.
    »Was habe ich jetzt schon wieder angestellt?«, fragte ich flüsternd.
    »Nichts«, antwortete sie sachlich.
    »Warum haben sie solche Angst vor Matthew?«
    »Das müssen Sie ihn schon selbst fragen. Vampire erzählen keine fremden Geschichten. Aber keine Sorge«, fuhr sie fort und entblößte
dabei ihre scharfen weißen Zähne, »die hier funktionieren einwandfrei, Sie haben also nichts zu befürchten.«
    Die Hände tief in die Taschen geschoben, rumpelte ich die Treppe hinunter und drängte mich dann auf dem Hof zwischen den Touristen hindurch. Bei Blackwell’s spülte ich mein Sandwich mit einer Flasche Wasser hinunter. Miriam war im Buchladen geblieben, sie fing meinen Blick auf, als ich auf dem Rückweg aus dem Café an ihr vorbeikam, legte ihren Krimi beiseite und folgte mir.
    »Diana«, sagte sie leise, als wir durch das Tor der Bibliothek gingen. »Was haben Sie vor?«
    »Das geht Sie nichts an«, fauchte ich.
    Miriam seufzte.
    Oben in

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