Seelen-Transfer
bei den ersten Anzeichen aus und hofften, daß wenigstens die Kinder überleben würden. Opfer auf Opfer wurde gebracht, um die Rasse am Leben zu erhalten. Schmerzliche Trennungen gab es in sehr großer Zahl, wenn die Älteren beschlossen, lieber in Einsamkeit als in Gesellschaft zu sterben.
Und doch wurde Greypate als sehr alt beschrieben. War das eine Übertreibung eines kindlichen Gehirns?
„Ich muß Greypate kennenlernen.“
„Er wird schießen“, war Speedy sich sicher. „Er weiß jetzt, daß du mich entführt hast, er sah, wie du die anderen geholt hast. Er wird auf dich warten und dich bei der ersten Gelegenheit niederschießen.“
„Wir müssen eine Möglichkeit finden, das zu vermeiden.
„Wie?“
„Wenn die beiden Neuen auch Freunde sind wie du, werde ich euch alle drei zu den Unterkünften zurückbringen. Ihr könntet Greypate aufsuchen und ihm sagen, daß ich nicht so häßlich bin, wie ich aussehe.“
„Ich halte dich nicht für häßlich“, widersprach Speedy.
Das Bild, das Fander zusammen mit dieser Bemerkung übermittelt bekam, erregte ihn sehr. Es stellte einen unscharfen, ziemlich verzerrten Körper dar, der aber deutlich ein menschliches Gesicht trug.
Die beiden neuen Gefangenen waren weibliche Wesen. Fander erkannte das, ohne daß es ihm gesagt werden mußte – sie waren zierlicher gebaut als Speedy und rochen warm und angenehm nach Frau. Das bedeutete Komplikationen. Vielleicht waren sie noch Kinder, und vielleicht lebten sie in ihrer Unterkunft zusammen, aber solange sie seiner Verantwortung unterstanden, konnte er so etwas nicht zulassen. Fander wäre vielleicht als etwas altmodisch zu bezeichnen gewesen, aber er besaß eben eine gewisse Steifheit in manchen Dingen. Konsequenterweise schnitt er für sich und Speedy eine kleinere Höhle aus dem Felsen heraus.
Vier Tage lang bekam ihn keines der Mädchen zu Gesicht. Fander überließ es Speedy, ihnen Nahrung zu bringen und mit ihnen zu sprechen und sie zu beruhigen, sie auf die Gestalt dessen, der ihnen noch vorgestellt werden würde, vorzubereiten. Am fünften Tag ließ Fander sich für eine erste Musterung durch die beiden Neuen in der Ferne sehen. Trotz aller Vorwarnungen wurden sie blaß, klammerten sich aneinander, stießen aber keine entsetzten Laute aus. Für eine Weile spielte er auf seiner Harfe, zog sich zurück, kam später wieder und spielte noch einmal für sie.
Durch Speedys Informationen schließlich doch genügend ermutigt, ergriff eines der Mädchen am nächsten Tag eines von Fanders Tentakeln. Was ihm aus den Nerven des Menschen übermittelt wurde, war weniger ein deutliches Bild als ein großer Schmerz, ein starkes Verlangen, ein kindliches Sehnen. Fander verließ die Höhle, suchte sich ein großes Stück Holz, verbrachte dann die ganze Nacht damit, aus diesem Stück eine menschliche Figur herzustellen. Speedy diente ihm dabei als Modell. Er selbst war kein Bildhauer, aber besaß von Natur aus eine gewisse Begabung, als jetzt der Dichter, der er war, durch seine Glieder strömte und in dieser Holzfigur sichtbar wurde. Da er seine Arbeit gründlich machen wollte, kleidete er die Puppe dann in das, was er für terranische Mode hielt, malte ihr Gesicht an, verlieh ihm eine freundliche Grimasse, die die Menschen ein Lächeln nannten.
Dann gab er dem Mädchen am nächsten Morgen, als sie erwachte, diese Puppe. Mit großen Augen nahm sie sie begierig an sich, drückte sie an ihren noch nicht ausgebildeten Busen und beugte sich darüber – und Fander wußte, daß die seltsame Leere in ihr verschwunden war.
Obwohl Speedy sichtlich ungehalten über Fanders – nach seiner Meinung vergeblichen – Versuch war, nahm Fander sich die Zeit, eine zweite Puppe zu schnitzen. Diesmal dauerte es nicht so lange, da ihm seine Übung zustatten kam. Am späten Nachmittag des gleichen Tages konnte er sie dem zweiten Mädchen überreichen. Mit schüchterner Dankbarkeit akzeptierte sie das Geschenk, drückte die Puppe dann so fest an sich, als bedeute ihr dieses Stück Holz mehr als ihre ganze traurige Welt dort draußen. In ihrer Aufregung bemerkte sie nicht, daß Fander ganz nah an sie herangekommen war, und als er ihr einen Tentakel anbot, nahm sie ihn geistesabwesend in die Hand.
„Ich habe dich lieb“, sagte er einfach.
Ihr Gehirn war noch nicht genug trainiert, um eine Antwort geben zu können, aber in ihren großen Augen leuchtete es warm.
Eine Meile östlich der großen Lichtung saß Fander in seinem Lastschlitten,
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