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Seelen-Transfer

Seelen-Transfer

Titel: Seelen-Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Frank Russell
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hinübergleiten, bevor sich der Griff wieder lockerte.
    „Fürchte dich nicht vor mir. Ich kann nichts für mein Äußeres, genausowenig wie du. Ich bin dein Freund, dein Vater, deine Mutter. Ich brauche dich so, wie du mich brauchst.“
    Der Junge ließ ihn los, wimmerte leise vor sich hin. Fander legte einen Tentakel um seine Schulter und machte damit leicht klopfende Bewegungen, von denen er annahm, daß sie rein marsianisch waren. Aus einem unerklärlichen Grund machte das alles noch schlimmer. Mit seinem Latein am Ende, welches Verhalten für menschliche Begriffe am verständlichsten war, stellte er seine Überlegungen ein und gab einem Instinkt nach – er wickelte den Jungen mit einem langen Tentakel ein und zog ihn an sich, hielt ihn fest an seinen Körper gedrückt, bis die Geräusche verstummten und der Schlaf sich einstellte. Dann erst wurde ihm klar, daß das Kind, das er entführt hatte, sehr viel jünger war, als er angenommen hatte.
    Viel Übung war notwendig, um eine Unterhaltung zustande zu bringen. Der Junge mußte lernen, seine Gedanken geistig zu verstärken, denn Fander war außerstande, sie aus ihm herauszusaugen. „Wie heißt du?“
    Fander bekam ein Bild von dünnen Beinen, die schnell dahinrannten.
    Er gab es in Frageform zurück. „Speedy?“
    Eine Bestätigung.
    „Welchen Namen gibst du mir?“
    Eine wenig schmeichelhafte Collage aus Monstern.
    „Teufel?“
    Das Bild wurde undeutlich, er spürte Verlegenheit und Unsicherheit.
    „Teufel ist schon recht“, versicherte Fander ihm großzügig. „Wo sind deine Eltern?“ fuhr er fort.
    Noch mehr Verwirrung.
    „Du mußt doch Eltern gehabt haben. Jeder hat einen Vater und eine Mutter, nicht wahr? Erinnerst du dich nicht an deine?“
    Verschwommene Gespensterbilder folgten. Erwachsene setzten Kinder aus. Erwachsene gingen Kindern aus dem Weg, als hätten sie Angst vor ihnen.
    „Woran erinnerst du dich als erstes?“
    „Großer Mann geht mit mir. Trug mich eine Weile. Dann ging ich wieder.“
    „Was geschah mit ihm?“
    „Ging davon. Sagte, er sei krank. Sagte, er mache mich vielleicht auch krank.“
    „Ist es schon lange her?“
    Verwirrung.
    Fander änderte sein Ziel. „Was ist mit den anderen Kindern – haben sie auch keine Eltern?“
    „Niemand hat jemanden.“
    „Aber du hast jetzt jemanden, nicht wahr, Speedy?“
    Zweifel. „Ja.“
    Fander hakte weiter nach. „Hast du mich lieber oder die anderen Kinder?“ Er ließ die Frage einen Moment einsickern, dann fügte er hinzu: „Oder beide?“
    „Beide“, sagte Speedy, ohne zu zögern. Seine Finger beschäftigten sich mit der Harfe.
    „Willst du mir helfen, morgen nach ihnen zu suchen und sie hierher zu bringen?“
    „Ja.“
    „Und wenn sie Angst vor mir haben, wirst du ihnen sagen, daß sie nichts zu fürchten haben?“
    „Sicher!“ Speedy fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, streckte seine Brust vor.
    „Dann möchtest du vielleicht heute einen kurzen Spaziergang mit mir machen. Du warst sehr lange in dieser Höhle. Etwas Bewegung wird dir nichts schaden. Begleitest du mich?“
    „Ja.“
    Gemeinsam gingen sie hinaus, der eine mit schnellen Schritten, der andere mehr gleitend. Die Lebensgeister des Kindes erwachten in der Freiheit; es schien, als versicherten ihm der Wind, der Himmel, der Geruch des Grases, daß er eigentlich kein Gefangener war. Sein bisher ruhiges Äußeres wurde lebendiger, er sprach Fander mehrmals an, dieser verstand aber nichts davon, und einmal lachte er aus keinem ersichtlichen Grund, einfach aus Freude daran. Zweimal ergriff er Fanders Tentakel, um ihm so etwas besser erklären zu können, und er tat das so ungezwungen, als sei es so normal wie seine Sprache.
    Am nächsten Morgen machten sie den Lastschlitten startbereit. Fander setzte sich in den Pilotensitz, Speedy kauerte sich hinter ihn und klammerte sich an seinen Anschnallgurt. Mit einem leisen Zischen flogen sie zu der Lichtung hinüber. Unter ihnen huschten viele weißschwänzige Tiere in ihre Erdlöcher, während sie darüber hinwegflogen.
    „Gut zu essen“, bemerkte Speedy, nachdem er Fander berührt hatte.
    Fander wurde ein wenig übel. Fleischesser! Erst als ein seltsames Gefühl von Scham und Entschuldigung zurückkam, merkte er, daß Speedy seine Abneigung gespürt hatte. Er wünschte, er wäre schnell genug gewesen, seine Reaktion zu verheimlichen, bevor der Junge sie bemerkte – aber er konnte auch nichts dafür, daß eine so offene Feststellung ihn derart unvorbereitet

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