Seelen
nicht die ganze Ausbeute war. Was, wenn es noch mehr Kartons zu verstauen gab? Würden ausgerechnet Jared und Kyle sie herbringen? Es war nicht viel Vorstellungskraft nötig, um sich die Szene auszumalen, die sich abspielen würde, wenn sie mich hier fänden.
Aber war das nicht der Grund, weshalb ich hier war? War es nicht genau das, worüber ich alleine nachdenken wollte?
Ich ließ mich gegen die Wand sinken. Der Reissack gab ein anständiges Kissen ab. Ich schloss die Augen - was in der absoluten Dunkelheit eigentlich unnötig war - und machte es mir bequem, um mich zu beraten.
Okay, Mel, was jetzt?
Ich war froh, festzustellen, dass sie noch immer präsent und wachsam war. Schwierigkeiten brachten ihre Stärke zum Vorschein. Nur wenn die Dinge gut liefen, verkrümelte sie sich.
Prioritäten setzen, beschloss sie. Was ist uns wichtiger? Am Leben zu bleiben? Oder Jamie?
Sie kannte die Antwort. Jamie , bestätigte ich und seufzte laut. Das Geräusch meines Atems hallte als flüsterndes Echo von den schwarzen Wänden wider.
Einverstanden. Wir können wahrscheinlich noch eine Weile durchhalten, wenn wir zulassen, dass Jeb und Ian uns beschützen. Aber wird ihm das helfen?
Vielleicht. Würde es ihn mehr verletzen, wenn ich einfach aufgäbe? Oder wenn sich das Ganze noch weiter hinzöge, nur um doch tödlich zu enden, was ja unausweichlich zu sein scheint?
Das gefiel ihr nicht. Ich konnte spüren, wie sie hin und her grübelte und nach weiteren Alternativen suchte.
Wie wäre es mit einem Fluchtversuch? , schlug ich vor.
Unrealistisch, entschied sie. Außerdem, was würden wir da draußen machen? Was würden wir denen erzählen?
Wir stellten es uns gemeinsam vor - wie würde ich meine monatelange Abwesenheit erklären? Ich könnte lügen, mir eine Geschichte ausdenken, oder sagen, ich erinnerte mich nicht. Aber ich dachte an den skeptischen Gesichtsausdruck der Sucherin, an ihre hervorstehenden Augen, in denen ein Verdacht aufschien, und wusste, dass meine unbeholfenen Versuche, sie auszutricksen, scheitern würden.
Sie würden glauben, dass ich die Kontrolle übernommen habe, stimmte Melanie zu. Dann würden sie dich rausholen und sie einsetzen.
Ich wand mich, als könnte ich dieser Vorstellung durch eine andere Position auf dem Steinboden entkommen, und schauderte. Dann dachte ich den Gedanken bis zu Ende. Sie würde ihnen von diesem Ort hier erzählen und die Sucher würden herkommen.
Entsetzen durchströmte uns.
Okay, fuhr ich fort. Flucht scheidet also aus.
Okay, flüsterte sie. Sie war so aufgewühlt, dass ich ihre Antwort kaum wahrnahm.
Die Alternativen sind also … schnell oder langsam. Was tut ihm weniger weh?
Solange ich mich auf praktische Dinge konzentrierte, hatte ich den Eindruck, die Diskussion zumindest meinerseits emotionslos und geschäftsmäßig führen zu können. Melanie versuchte es mir gleichzutun.
Ich bin mir nicht sicher. Einerseits wird ihm unsere … Trennung logischerweise umso schwerer fallen, je mehr Zeit wir drei miteinander verbringen. Wenn wir allerdings nicht kämpfen, sondern einfach aufgeben … würde ihm das auch nicht gefallen. Er würde sich von uns verraten fühlen.
Ich versuchte das Für und Wider, das sie dargelegt hatte, möglichst rational abzuwägen.
Also … schnell, aber wir müssen unser Bestes tun, um nicht zu sterben?
Kämpfend untergehen, stimmte sie grimmig zu.
Kämpfend. Na, wunderbar. Ich versuchte mir das vorzustellen - Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Meine Hand zu heben, um jemanden zu schlagen. Ich konnte die Worte formulieren, aber nicht das dazugehörige Bild in meinem Kopf aufrufen.
Du kannst es, ermutigte sie mich. Ich helfe dir.
Nein danke. Es muss einen anderen Weg geben.
Ich verstehe dich nicht, Wanda. Du hast dich völlig von deiner Spezies losgesagt, du bist bereit, für meinen Bruder zu sterben, du bist in denselben Mann verliebt wie ich, der uns umbringen wird, und trotzdem willst du dich nicht von Gewohnheiten trennen, die hier absolut unbrauchbar sind.
Ich bin, wer ich bin, Mel. Das kann ich nicht ändern, auch wenn sich alles andere ändern mag. Du bleibst dir selbst auch treu, lass mich dasselbe tun.
Aber wenn wir …
Sie hätte weiter mit mir diskutiert, aber wir wurden unterbrochen. Das schlurfende Geräusch von Schuhen auf Fels drang von irgendwo weiter vorne im Gang zu uns.
Ich erstarrte - alle meine Körperfunktionen kamen zum Erliegen, abgesehen von meinem Herzen, und sogar das ging langsamer und stockend - und
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