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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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Stücke des Fußbodens ab, aber das Fundament der Säule blieb weiterhin stehen. Etwa zwei Fuß jenseits der Felssäule bildete sich eine neue Kante.
    Ian kroch wie ich rückwärts und zog seinen Bruder mit ruckartigen Muskel- und Willensanstrengungen hinter sich her. Nach einer Minute waren wir alle am Anfang des Gangs angelangt, Ian und ich heftig keuchend.
    »Was … zum Teufel… war hier los?«
    »Unser Gewicht … war zu … groß. Der Boden ist eingebrochen.«
    »Was hast du … da am Rand gemacht? Mit Kyle?«
    Ich ließ den Kopf sinken und konzentrierte mich aufs Atmen.
    Los, sag es ihm.
    Was passiert dann?
    Du weißt genau, was dann passiert. Kyle hat die Regeln verletzt. Jeb wird ihn erschießen oder sie schmeißen ihn raus. Vielleicht wird Ian ihn vorher noch kräftig vermöbeln. Das würde ich gerne sehen.
    Melanie meinte es nicht so - das konnte ich mir zumindest nicht vorstellen. Sie war bloß immer noch sauer auf mich, weil ich unser Leben riskiert hatte, um unseren Beinahe-Mörder zu retten.
    Genau, erwiderte ich. Und wenn sie Kyle meinetwegen rausschmeißen … oder ihn umbringen … Ich schauderte. Begreifst du nicht, wie widersinnig das wäre? Er ist einer von euch.
    Wir haben hier eine Zukunft, Wanda. Das setzt du aufs Spiel.
    Es ist auch meine Zukunft. Und ich bin … na ja, ich bin ich.
    Melanie knurrte mürrisch.
    »Wanda?«, fragte Ian.
    »Nichts«, murmelte ich.
    »Du bist eine miserable Lügnerin. Das weißt du auch, stimmt’s?«
    Ich hielt den Kopf gesenkt und atmete.
    »Was hat er getan?«
    »Nichts«, log ich. Ich log schlecht.
    Ian nahm mein Kinn in die Hand und hob meinen Kopf. »Deine Nase blutet.« Er drehte mein Gesicht zur Seite. »Und außerdem hast du Blut in den Haaren.«
    »Ich … ich bin mit dem Kopf aufgeschlagen, als der Boden eingebrochen ist.«
    »Auf beiden Seiten?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    Ian sah mich eine ganze Weile an. Die Dunkelheit hier im Tunnel dämpfte den Glanz in seinen Augen.
    »Wir sollten ihn zu Doc bringen - er hat sich bei seinem Sturz ziemlich den Kopf angeschlagen.«
    »Warum schützt du ihn? Er hat versucht, dich umzubringen.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Sein Gesichtsausdruck wechselte langsam von Wut zu Entsetzen. Er stellte sich vor, was wir auf dem brüchigen Vorsprung gemacht hatten - das konnte ich an seinem Blick ablesen. Als ich nicht antwortete, sprach er flüsternd weiter. »Er wollte dich in den Fluss werfen …« Ein seltsames Zittern durchfuhr seinen Körper.
    Er hatte immer noch einen Arm um Kyle geschlungen, so wie er zu Boden gesunken war, und schien zu erschöpft, um sich zu bewegen. Doch jetzt schob er seinen bewusstlosen Bruder grob zur Seite und rückte angewidert von ihm weg. Er rutschte an mich heran, legte mir die Arme um die Schultern und zog mich an seine Brust - ich konnte seinen Atem ein- und ausströmen spüren, immer noch unregelmäßiger als normalerweise.
    Es fühlte sich komisch an.
    »Ich sollte ihn geradewegs wieder zurückrollen und ihn eigenhändig über den Rand schubsen.«
    Ich schüttelte heftig mit dem Kopf, der vor Schmerzen pochte. »Nein.«
    »Spart Zeit. Jebs Regeln sind eindeutig. Wenn du versuchst, jemandem hier etwas zu tun, wirst du bestraft. Es gibt einen Prozess …«
    Ich versuchte mich von ihm zu lösen, aber er umfasste mich noch fester. Es machte mir keine Angst, nicht so wie bei Kyle. Aber es machte mich nervös - brachte mich aus dem Gleichgewicht. »Nein. Das könnt ihr nicht machen, weil niemand die Regeln verletzt hat. Der Boden ist weggebrochen, das ist alles.«
    »Wanda …«
    »Er ist dein Bruder.«
    »Er wusste, was er tat. Er ist mein Bruder, das stimmt, aber er hat getan, was er getan hat, und du bist… du bist… meine Freundin.«
    »Er hat gar nichts getan. Er ist ein Mensch«, flüsterte ich. »Das hier ist sein Platz, nicht meiner.«
    »Darüber diskutieren wir jetzt nicht schon wieder. Ich habe eine andere Definition von ›Mensch‹ als du. Für dich ist das etwas … Negatives. Für mich ist es ein Kompliment - und nach meiner Definition bist du menschlich und er nicht. Jetzt nicht mehr.«
    »Ein Mensch ist für mich nichts Negatives. Ich kenne dich jetzt. Aber er ist dein Bruder, Ian.«
    »Und dafür schäme ich mich.«
    Ich schob ihn erneut weg. Diesmal ließ er es zu. Vielleicht hatte das mit dem Schmerzenslaut zu tun, der meinen Lippen entschlüpfte, als ich mein Bein bewegte.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ich glaube schon. Wir müssen Doc holen, aber ich weiß

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