Seelen
der Wahrheit.«
Ich sah zu Boden. »Es stimmt, dass ich nie etwas tun würde, dass irgendjemandem hier wehtut. Zumindest nicht mit Absicht. Es tut mir leid, dass ich dich durch meine Ankunft hier verletzt habe. Und Jamie. So unendlich leid.«
Er setzte sich mit nachdenklichem Gesicht neben mich. »Ehrlich gesagt …« Er zögerte. »Dem Jungen geht es besser, seit du hier bist. Ich hatte schon fast vergessen, wie sein Lachen klingt.«
Wir hörten jetzt beide, wie es über das tiefere Erwachsenengelächter hinwegschallte.
»Danke, dass du mir das sagst. Das war meine … größte Sorge. Ich hatte gehofft, dass ich ihm keine bleibenden Schäden zugefügt habe.«
»Warum?«
Ich sah ihn verwirrt an.
»Warum liebst du ihn?«, fragte er immer noch mit neugieriger Stimme, aber ohne mich zu bedrängen.
Ich biss mir auf die Lippe.
»Du kannst es mir ruhig sagen. Ich bin … ich habe …« Er fand die Worte nicht. »Du kannst es mir ruhig sagen«, wiederholte er.
Ich sah auf meine Schuhe, als ich ihm antwortete. »Zum Teil, weil Melanie ihn liebt.« Ich sah nicht auf, um zu schauen, ob er beim Klang ihres Namens zusammenzuckte. »Ihre Erinnerungen an ihn … sind sehr intensiv. Und als ich ihn dann persönlich kennengelernt habe …« Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben. Es ist … schon in diesen Zellen angelegt, ihn zu lieben. Mir war bisher nicht klar, wie viel Einfluss ein Wirt auf mich haben kann. Vielleicht ist das nur bei menschlichen Körpern so. Vielleicht auch nur bei Melanie.«
»Spricht sie mit dir?« Er versuchte ruhig zu klingen, aber ich konnte jetzt seine Anspannung heraushören.
»Ja.«
»Wie oft?«
»Wenn sie es will. Wenn sie ein Interesse daran hat.«
»Und heute?«
»Wenig. Sie ist… irgendwie sauer auf mich.«
Er lachte überrascht auf. »Sie ist sauer? Warum?«
»Weil …« Konnte man hier zweimal wegen desselben Verbrechens belangt werden? »Nichts.«
Er hörte erneut die Lüge heraus und zog seine eigenen Schlüsse.
»Oh. Kyle. Sie wollte seinen Tod.« Er lachte wieder. »Das kann ich mir vorstellen.«
»Sie kann … ganz schön brutal sein«, stimmte ich zu. Ich lächelte, um die Beleidigung abzuschwächen.
Er fasste es nicht als Beleidigung auf. »Wirklich? Inwiefern?«
»Sie will, dass ich mich wehre. Aber ich … ich kann das nicht. Ich bin keine Kämpfernatur.«
»Das sehe ich.« Mit der Spitze eines Fingers berührte er mein zerschundenes Gesicht. »Entschuldigung.«
»Nein. Jeder an deiner Stelle hätte das Gleiche getan. Ich weiß, wie du dich gefühlt haben musst.«
»Du hättest das nicht getan.«
»Wenn ich ein Mensch wäre, schon. Im Übrigen habe ich das gar nicht gemeint … Ich habe eher an die Sucherin gedacht.«
Er erstarrte.
Ich lächelte wieder und er entspannte sich ein wenig. »Mel wollte, dass ich sie erwürge. Sie hasst diese Sucherin wirklich. Und ich kann es ihr nicht verübeln.«
»Sie sucht immer noch nach dir. Sieht aber so aus, als hätte sie immerhin den Hubschrauber zurückgeben müssen.«
Ich schloss die Augen, ballte die Fäuste und konzentrierte mich einige Sekunden lang auf meine Atmung.
»Ich habe mich früher nie vor ihr gefürchtet«, flüsterte ich. »Ich weiß nicht, warum mir das jetzt so viel Angst einjagt. Wo ist sie?«
»Keine Sorge. Gestern ist sie nur den Highway auf und ab gefahren. Sie wird dich nicht finden.«
Ich nickte und zwang mich selbst, daran zu glauben.
»Kannst du … kannst du Mel jetzt hören?«, murmelte er.
Ich hielt meine Augen geschlossen. »Ich bin … mir ihrer bewusst. Sie hört ganz genau zu.«
»Was denkt sie?« Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Das ist deine Chance, erklärte ich ihr. Was willst du ihm sagen?
Sie war ausnahmsweise vorsichtig. Die Aufforderung verunsicherte sie. Warum? Warum glaubt er dir jetzt?
Ich öffnete die Augen und sah, wie er mich mit angehaltenem Atem anblickte.
»Sie will wissen, was dazu geführt hat, dass du jetzt … anders bist. Warum glaubst du uns plötzlich?«
Er dachte einen Moment nach. »Das … hat verschiedene Gründe. Du warst so … nett zu Walter. Ich habe noch nie jemanden außer Doc mit so viel Mitgefühl gesehen. Und du hast Kyles Leben gerettet - die meisten von uns hätten ihn abstürzen lassen, mal ganz abgesehen von seinem Mordversuch. Und außerdem bist du eine miserable Lügnerin.« Er lachte auf. »Ich habe immer wieder versucht, all diese Dinge als Teile einer Riesenverschwörung zu
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