Seelen
als Jamie und ich war stärker und schneller als sie. Ich war von Freunden und Verbündeten umgehen und sie war allein, zumindest innerhalb dieser Höhlen hier. Zwei Waffen, das Gewehr und ihre eigene Glock - genau die Pistole, um die Ian sie damals beneidet hatte, die Pistole, die meinen Freund Wes umgebracht hatte -, waren ständig auf sie gerichtet. Nur eins hatte sie bisher am Leben erhalten und das konnte sie nicht mehr länger retten.
Jeb hatte gedacht, dass ich vielleicht mit ihr reden wollte. Das war alles.
Jetzt, wo ich zurück war, war sie dazu verurteilt, innerhalb der nächsten Stunden zu sterben, unabhängig davon, ob ich mit ihr sprach oder nicht.
Weshalb also hatte ich das Gefühl, im Nachteil zu sein? Warum diese eigenartige Ahnung, dass sie diejenige sein würde, die als Siegerin aus unserer Konfrontation hervorging?
Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich mit ihr sprechen wollte. Zumindest war das die Antwort, die ich Jeb gegeben hatte.
Aber ich wollte natürlich nicht mit ihr sprechen. Ich hatte schon Panik davor, nur ihr Gesicht wieder zu sehen - ein Gesicht, das ich mir, sosehr ich es auch versuchte, nicht verängstigt vorstellen konnte.
Wenn ich ihnen sagte, dass ich nicht mit ihr sprechen wollte, würde Aaron sie erschießen. Es wäre so, als würde ich ihm den Schießbefehl erteilen. Als würde ich abdrücken.
Oder schlimmer noch, vielleicht würde Doc versuchen, sie aus ihrem Menschenkörper zu schneiden. Die Erinnerung an das silberne Blut, das die Hände meines Freundes besudelt hatte, ließ mich zusammenzucken.
Melanie wand sich unbehaglich und versuchte den Qualen in meinem Kopf zu entkommen.
Wanda? Sie werden sie einfach nur erschießen. Keine Panik.
Sollte mich das trösten? Das Bild in meinem Kopf verfolgte mich. Aaron, der die Pistole der Sucherin in der Hand hielt, der Körper der Sucherin, der langsam auf dem Steinboden zusammensackte, das rote Blut um sie herum …
Du musst nicht dabei zusehen.
Das würde nicht verhindern, dass es geschah.
Melanies Gedanken bekamen einen verzweifelten Unterton. Aber wir wollen doch, dass sie stirbt, oder etwa nicht? Sie hat Wes umgebracht! Außerdem darf sie einfach nicht am Leben bleiben. Auf keinen Fall.
Sie hatte natürlich in allem Recht. Es stimmte, dass die Sucherin auf keinen Fall am Leben bleiben durfte. Wenn wir sie gefangen hielten, würde sie hartnäckig auf ihre Flucht hinarbeiten. Wenn es ihr gelang zu entkommen, würde das innerhalb kürzester Zeit den Tod meiner ganzen Familie bedeuten.
Es stimmte, dass die Sucherin Wes umgebracht hatte. Er war so jung gewesen und so sehr geliebt worden. Sein Tod hinterließ brennenden Schmerz. Ich konnte verstehen, dass die Menschen zum Ausgleich dafür ihr Leben forderten.
Und es stimmte, dass ich auch wollte, dass sie starb.
»Wanda? Wanda?«
Jamie schüttelte mich am Arm. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass jemand meinen Namen rief. Vielleicht schon viele Male.
»Wanda?«, fragte Jebs Stimme erneut.
Ich sah auf. Er stand über mir. Sein Gesicht war ausdruckslos, die undurchdringliche Fassade, die mir verriet, dass ihn starke Gefühle im Griff hatten. Sein Pokerface.
»Die Jungs wollen wissen, ob du noch Fragen an die Sucherin hast.«
Ich legte eine Hand an die Stirn und versuchte die Bilder dort auszublenden. »Und wenn nicht?«
»Sie haben genug davon, Wache zu halten. Es ist eine schwere Zeit für sie. Sie wären jetzt lieber bei ihren Freunden.«
Ich nickte. »Okay. Dann gehe ich wohl besser gleich … und rede mit ihr.« Ich stieß mich von der Wand ab und kam auf die Füße. Meine Hände zitterten, weshalb ich sie zu Fäusten ballte.
Du hast keine Fragen.
Mir werden schon welche einfallen.
Warum das Unvermeidliche aufschieben?
Ich habe keine Ahnung.
Du versuchst sie zu retten, warf mir Melanie wütend vor.
Das kann ich nicht.
Nein. Das kannst du nicht. Und außerdem willst du ihren Tod auch. Also erlaube ihnen, sie zu erschießen.
Ich zuckte zusammen.
»Ist alles okay mit dir?«, fragte Jamie.
Ich nickte, da ich meiner Stimme nicht genug traute, um zu sprechen.
»Du musst nicht«, sagte Jeb, der mich scharf ansah.
»Schon okay«, flüsterte ich.
Jamies Hand umfasste die meine, aber ich schüttelte sie ab. »Bleib hier, Jamie.«
»Ich komme mit.«
Meine Stimme war jetzt lauter. »O nein, das tust du nicht.«
Wir starrten uns einen Moment lang an und ausnahmsweise gewann ich die Auseinandersetzung. Er streckte störrisch das Kinn
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