Seelen
und drückte ihn an meine Brust. Die Außenwand des Behälters hatte dieselbe Temperatur wie der warme Raum. Schützend wie eine Mutter hielt ich ihn im Arm.
Ich drehte mich zu der Fremden auf dem Tisch um. Doc streute bereits Glättung über die versiegelte Wunde. Wir waren ein gutes Team; einer kümmerte sich um die Seele, der andere um den Körper. Für alle war gesorgt.
Dann sah Doc zu mir auf, seine Augen strahlten vor Freude und Staunen. »Beeindruckend«, murmelte er. »Das war unglaublich.«
»Gute Arbeit«, flüsterte ich zurück.
»Was glaubst du, wann sie aufwacht?«, fragte Doc.
»Das hängt davon ab, wie viel Chloroform sie eingeatmet hat.«
»Nicht viel.«
»Und ob sie überhaupt noch da ist. Wir müssen abwarten und sehen, was passiert.«
Ohne dass ich ihn darum bitten musste, hob Jared die namenlose Frau behutsam von dem Feldbett, drehte sie um und legte sie auf ein anderes, sauberes Bett. Diese Behutsamkeit rührte mich nicht. Diese Behutsamkeit galt den Menschen, galt Melanie …
Doc folgte ihm, maß ihren Puls, blickte ihr unter die Augenlider. Er leuchtete mit einer Taschenlampe in ihre bewusstlosen Augen und beobachtete, wie sich die Pupillen zusammenzogen. Kein Lichtreflex blendete ihn. Er und Jared warfen sich einen langen Blick zu.
»Sie hat es wirklich getan«, sagte Jared mit leiser Stimme.
»Ja«, gab Doc ihm Recht.
Ich hörte nicht, wie Jeb sich mir näherte.
»Ziemlich genial, Mädchen«, murmelte er.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Na, jetzt hast du ein Problem, was?«
Ich antwortete nicht.
»Ich auch, Süße. Ich auch.«
Aaron und Brandt unterhielten sich hinter mir, ihre Stimmen wurden vor Aufregung immer lauter und sie antworteten bereits auf die Gedanken des anderen, bevor die Fragen überhaupt ausgesprochen waren.
Sie sahen keinerlei Probleme.
»Wenn die anderen das erfahren!«
»Denk nur, was für …«
»Wir sollten losziehen, um ein paar …«
»Los, ich bin bereit…«
»Ihr bleibt hier«, schnitt Jeb Brandt das Wort ab. »Keine Geiseln, bevor dieser Tiefkühlbehälter sicher auf seinem Weg ins Weltall ist. Stimmt’s, Wanda?«
»Stimmt«, gab ich ihm mit fester Stimme Recht und drückte den Behälter an mich.
Brandt und Aaron wechselten einen säuerlichen Blick.
Ich würde mehr Verbündete brauchen. Jared und Jeb und Doc waren nur drei, wenn auch sicherlich die einflussreichsten hier. Trotzdem brauchten sie Unterstützung.
Ich wusste, was das bedeutete.
Es bedeutete, dass ich mit Ian reden musste.
Natürlich auch mit anderen, aber Ian war der Wichtigste. Mein Herz sank. Seit ich bei den Menschen lebte, hatte ich schon viele Dinge getan, die ich eigentlich nicht tun wollte, aber ich konnte mich an nichts erinnern, was mir so ausgeprägte, auf einen Punkt konzentrierte Schmerzen verursacht hätte. Nicht einmal der Entschluss, mein Leben für das der Sucherin herzugeben - das war ein riesiger, ausgedehnter Schmerz, ein umfassendes Leid, das aber beinahe erträglich war, weil es so eng mit dem übergeordneten Ganzen verknüpft war. Mich von Ian zu verabschieden war ein messerscharfer Schmerz, der es mir schwer machte, das große Ganze zu erkennen. Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, irgendeine Möglichkeit, ihm denselben Schmerz zu ersparen. Es gab keine.
Das Einzige, was noch schlimmer sein würde, war, mich von Jared zu verabschieden. Das würde brennen wie Feuer. Denn er würde keinen Schmerz empfinden. Seine Freude würde jegliches Bedauern, das er meinetwegen vielleicht verspürte, überwiegen.
Und was Jamie anging - ich hatte nicht vor, mich diesem Abschied überhaupt zu stellen.
»Wanda!« Docs Stimme klang schrill.
Ich eilte zu dem Bett, über das Doc sich beugte. Bevor ich dort ankam, konnte ich schon sehen, wie die kleine olivfarbene Hand, die über der Bettkante hing, sich zur Faust ballte und wieder öffnete.
»Ahh …«, stöhnte die vertraute Stimme der Sucherin aus dem menschlichen Körper. »Ahh …«
Es wurde vollkommen still im Raum. Alle sahen zu mir, als wäre ich die Expertin für Menschen.
Ich stieß Doc mit dem Ellenbogen an, da ich meine Hände immer noch um den Tiefkühlbehälter geschlungen hielt. »Sprich mit ihr«, flüsterte ich.
»Ähm … Hallo? Können sie mich hören, Miss? Sie sind jetzt in Sicherheit. Verstehen Sie mich?«
»Ahh…«, stöhnte sie. Sie blinzelte und ihr Blick richtete sich auf Docs Gesicht. Ihr Gesichtsausdruck war in keinster Weise gequält - natürlich sorgte das Schmerzlos dafür,
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