Seelen
mich. Er vermisste sie nicht, weil sie für ihn da war. Er erkannte die Notwendigkeit unserer Trennung nicht.
Ich war mir nicht sicher, warum Ian es nicht verstand. War er zu fasziniert vom Potenzial der neuen Erkenntnis? Von den Veränderungen, die sie für die menschliche Gesellschaft hier bedeuten würde? Sie waren alle ganz überwältigt von dem Gedanken, dass das Geschnapptwerden - das Ende - nicht mehr unbedingt endgültig war. Es gab eine Möglichkeit, zurückzukehren. Es kam ihm ganz normal vor, dass ich etwas unternommen hatte, um die Sucherin zu retten, es passte zu seiner Vorstellung von meiner Persönlichkeit. Vielleicht hatte er einfach nicht weitergedacht.
Oder vielleicht hatte Ian einfach nicht die Zeit gehabt, alles bis zu Ende zu durchdenken und die naheliegende Möglichkeit zu bemerken, die es bot, bevor er abgelenkt wurde. Abgelenkt und aufgebracht.
»Ich hätte ihn schon vor Jahren umbringen sollen«, schimpfte er während wir alles Nötige für unsere Tour zusammenpackten. Meine letzte Tour; ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. »Nein, unsere Mutter hätte ihn gleich nach der Geburt ersäufen sollen!«
»Er ist dein Bruder.«
»Ich weiß nicht, warum du immer noch darauf herumreitest. Willst du, dass ich mich noch schlechter fühle?«
Alle waren wütend auf Kyle. Jareds Lippen waren zu einer weißen Linie zusammengekniffen und Jeb strich häufiger über sein Gewehr als sonst.
Jeb hatte vorgehabt, uns auf dieser wichtigen Tour zu begleiten, seiner ersten, seit ich hierhergekommen war. Er hatte sich darauf gefreut, und besonders erpicht war er darauf, das Raumfahrtzentrum aus der Nähe zu sehen. Aber jetzt, wo Kyle uns alle in Gefahr brachte, hatte er das Gefühl, er müsste vorsichtshalber hierbleiben. Nicht das zu bekommen, was er wollte, verursachte Jeb schlechte Laune.
»Mit dieser Kreatur hier festzuhocken«, knurrte er vor sich hin und rieb schon wieder über den Lauf des Gewehrs - seine Begeisterung über das neue Mitglied seiner Gemeinschaft war nicht gestiegen. »Und all den Spaß zu verpassen.« Er spuckte auf den Boden.
Wir wussten alle, wo Kyle war. Sobald er begriffen hatte, wie der Sucher-Wurm sich über Nacht auf zauberhafte Weise in den Lacey-Menschen verwandelt hatte, war er durch den Hinterausgang verschwunden. Ich hatte erwartet, er würde die Gruppe derer anführen, die den Tod der Sucherin forderten (ich hielt den Tiefkühlbehälter immer im Arm; ich schlief nicht tief und mit der Hand auf seiner glatten Oberfläche), aber er war nirgends zu finden und Jeb gelang es in seiner Abwesenheit problemlos, den Widerstand im Keim zu ersticken.
Es war Jared, der bemerkte, dass der Jeep weg war. Und Ian war derjenige, der die beiden Dinge miteinander verknüpfte.
»Er ist auf der Suche nach Jodi«, hatte er geknurrt. »Was sonst?«
Hoffnung und Verzweiflung. Ich hatte für das eine gesorgt, Kyle für das andere. Würde er sie alle verraten, bevor sich überhaupt etwas von der Hoffnung erfüllen konnte?
Jared und Jeb wollten die Tour aufschieben, bis wir wussten, ob Kyle Erfolg gehabt hatte - unter idealen Bedingungen würde er drei Tage brauchen, wenn seine Jodi noch in Oregon lebte. Und wenn er sie dort fand.
Es gab ein Ausweichquartier, noch eine Höhle, in der wir uns in Sicherheit bringen konnten. Eine viel kleinere ohne Wasser, so dass wir uns dort nicht lange würden verstecken können. Sie diskutierten, ob alle evakuiert werden sollten oder ob wir besser abwarteten.
Aber ich hatte es eilig. Ich hatte bemerkt, wie die anderen den silbernen Behälter in meinen Armen beäugten. Ich hatte das Geflüster gehört. Je länger ich die Sucherin hierbehielt, desto größer war die Gefahr, dass jemand sie umbrachte. Nachdem ich Lacey kennengelernt hatte, empfand ich Mitleid mit der Sucherin. Sie hatte ein friedliches, glückliches Leben bei den Blumen verdient.
Ironischerweise war es ausgerechnet Ian, der sich auf meine Seite schlug und sie zur Eile antrieb. Er erkannte immer noch nicht, worauf das alles hinauslief…
Aber ich war ihm dankbar, dass er mir half, Jared davon zu überzeugen, dass wir genug Zeit hatten, auf Tour zu gehen und wieder rechtzeitig zurückzukehren, bevor wegen Kyle eine Entscheidung getroffen werden musste. Dankbar auch dafür, dass er wieder Leibwächter spielte. Ich wusste, dass ich Ian, was den glänzenden Tiefkühlbehälter anging, mehr vertrauen konnte als den anderen. Er war der Einzige, dem ich erlaubte, ihn zu halten, wenn ich
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