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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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wird Sie gleich in Empfang nehmen. Je nachdem, wann die Wehen einsetzen, werden wir innerhalb der nächsten Woche mit der Entbindung beginnen. Sollten Sie einen früheren Entbindungszeitpunkt wünschen, zum Beispiel durch Kaiserschnitt, ist das auch möglich.«
    Wieder das kirschrote Lächeln.
    »Danke«, sagte Isabel und betrat das geräumige Zimmer mit dem großen Bett.
    Sie lächelte.
    Sie fühlte sich auf Anhieb wie zu Hause.

31
    »Mann und Frau«, sagte MacDeath. »Ein Thema unendlicher Verwirrung. Das sagte schon Freud.«
    »Unendliche Verwirrung? Eher noch heilloses Chaos«, sagte Don Alvaro. »Das Gelübde der Keuschheit und der Ehelosigkeit der Priester mag hart sein, aber es erspart einem einen Gutteil an Komplexität.« Er lehnte sich zurück. »Jedenfalls, Satan war eifersüchtig. Das ist er immer und wird es immer sein. Zuerst auf Gott, dann auf die Erzengel, dann auf Christus, weil er der Sohn Gottes war, und schließlich auf die Menschen, weil sie als Gottes Ebenbild geschaffen wurden. Er bekämpfte sie alle, führte sie alle in Versuchung. Beim Mann geschah dies durch die Frau.«
    »Was geschieht mit den Besessenen?«, fragte Clara. Sie wusste nicht, ob sie das alles überhaupt glauben sollte, aber da sie einem hohen Kirchenmann und anerkannten Experten gegenübersaß, wollte sie die Gelegenheit nutzen, ihren Horizont zu erweitern, auch wenn manche Aussagen der beiden Priester ihr absurd erschienen – vorsichtig ausgedrückt. »Sind Sie ständig besessen oder nur zeitweise?«
    »Man muss sich das mit dem Dämonen und den Besessenen vorstellen wie mit einem reichen Mann, der viele Autos besitzt. Der reiche Mann ist der Dämon.«
    »Und seine Autos die Besessenen?«
    Alvaro nickte. »Der Reiche kann nicht gleichzeitig mit allen Autos fahren. Er fährt heute mit diesem Wagen, morgen mit jenem. Sobald er fährt, zeigt der Betreffende die Symptome eines Besessenen. Die anderen sind aber auch besessen, da sie sozusagen zu seinem Fuhrpark gehören. Anders ist es bei den Dämonen des Triumvirats, Satan, Luzifer und Asmodeus. Sie sind in der Lage, mehrere Körper gleichzeitig zu besetzen.«
    »Wie viele?«
    »Tausende.«
    »Und was sind die Symptome der Besessenheit?«, fragte Clara.
    »Deutliche Symptome sind das Reden in fremden Sprachen, die der Besessene niemals gelernt hat.«
    »Welche Sprachen sind das?«
    »Viele. Und die Satanssprache, Latein rückwärts.«
    »Manche sagen, die fremden Sprachen bei Besessenheit kämen nur dadurch zustande, dass eine andere Persönlichkeit der konditionierten Opfer sozusagen nach vorne kommt«, sagte MacDeath und setzte einen interessierten, dennoch kritischen Blick auf.
    »Schön möglich«, erwiderte Don Alvaro. »Aber egal wie viele Persönlichkeiten man hat, man kann damit nicht erklären, warum ein Besessener plötzlich fliegen kann – das, was man Levitation nennt.«
    »Was genau geschieht bei der Levitation?«, fragte Clara fasziniert. »Schweben die Menschen wirklich frei im Raum?«
    »Ja. Bis zur zwanzig Meter hohen Decke einer Kirche. Ich habe es selbst gesehen. Ebenso einen Menschen, der in schlangenartigen Bewegungen durch den Raum schwebte. Es war das Bizarrste, was mir je unter die Augen gekommen ist.«
    MacDeath verzog das Gesicht.
    Don Alvaro schaute kurz aus dem Fenster. »Dann gibt es die Aversion gegen alles Heilige, gegen Kreuze, Gebete, Weihwasser, Kirchen. Aber das Unheimlichste sind die Dinge, die sie ausspucken.«
    »Welche Dinge?«
    »Nägel, kleine Figuren, Rasierklingen …«
    »Woher kommen diese Gegenstände?«
    »Sie materialisieren sich im Mund der Besessenen. Kurz bevor sie die Gegenstände ausspucken.«
    »Wie bitte?«
    »Würde man diese Menschen vorher röntgen, würde man die Gegenstände nicht sehen. Aber sie spucken sie aus. Sie kommen …« Er suchte nach Worten. »Wahrscheinlich kommen sie geradewegs aus der Hölle.«
    Don Alvaro ging zum Schreibtisch und zog aus einem Stapel ein Foto hervor. Es zeigte einen rostigen Nagel, der eher wie ein Reißnagel von einer Pinnwand aussah. Nur dass er viel größer, dunkler und rostiger war.
    »Das«, sagte Alvaro, »nennt man einen satanischen Nagel. Ein achtzehnjähriges Mädchen aus Mailand hat ihn ausgespuckt. Sie manifestieren sich während eines Exorzismus. Manchmal werden sie von den Besessenen ausgespuckt, manchmal liegen sie einfach auf dem Tisch, kommen aus dem Nirgendwo.«
    »Was macht man mit diesen Nägeln?«
    »Man darf sie nicht anfassen. Man muss sie wegwerfen oder ins

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