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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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nickte. »Sie löste ihren Sicherheitsgurt, sprang auf, obwohl das Flugzeug gerade startete, drehte sich um und schlug mir auf den Kopf. Das war meine erste Begegnung mit dem Dämon.« Er lächelte ein wenig verzerrt. »Aber es war nicht die letzte.«
    »Sie erwähnten die Pupillen«, sagte Clara. »Macht es einen Unterschied, in welche Richtung sie sich verschieben?« Sie dachte an die Gerichtsmedizin, an die sogenannten Prädilektionsstellen an den Augenlidern, an denen man erkennen konnte, ob eine Person erwürgt worden war. Punktblutungen galten als Zeichen von Gewaltanwendung am Hals. Erwürgen beispielsweise, Erdrosseln und Erhängen.
    Don Alvaro nickte.
    »Wir legen zwei Finger leicht auf die Augen und heben die Lider an bestimmten Stellen der Austreibungsgebete an«, erklärt er. »Fast immer sind die Augen weiß. Dann nehmen wir die andere Hand, um zu sehen, ob sich die Pupillen nach oben oder nach unten geschoben haben.«
    »Und welchen Unterschied macht das?«
    »Verschieben sich die Pupillen nach oben, sind es Geister aus dem Formenkreis der Skorpione, deren Herr Luzifer ist. Verschieben sie sich nach unten, sind es Geister aus dem Kreis der Schlangen. Ihr Herr ist Satan.«
    »Das klingt nach Forensik und Rechtsmedizin«, sagte Clara. »Wenn auch ein wenig exotischer.«
    »Tja, ob es Ihnen gefällt oder nicht«, Don Alvaro lächelte, »die ersten Rituale des Exorzismus kommen aus dem achten Jahrhundert. Wir sind sozusagen die Gründerväter der Forensik.«
    »Was die Besessenheit angeht, trifft es häufiger Frauen oder Männer?«
    »Frauen. Sie wollen den Dingen auf den Grund gehen, und dabei treffen sie häufig …«, Alvaro suchte nach Worten, »sagen wir, auf falsche Freunde. Denn der Dämon gibt sich normalerweise als Freund aus.«
    »Ist das der einzige Grund, dass Frauen häufiger betroffen sind?«, fragte Clara.
    »Nein«, antwortete Alvaro. »Wenn der Satan die Frauen verführt, verführt er die Männer gleich mit. So hat er es schon bei Adam und Eva gemacht. Frauen haben halt mehr Einfluss auf Männer als umgekehrt. Auch wenn wir gerne glauben, es sei andersherum.« Er schaute MacDeath an und kniff ein Auge zu. »Eva hat sich wenigstens von Satan selbst verführen lassen, also einem Engel. Adam aber nur von Eva, einer Frau. Die Frage ist, wer dümmer war.«
    Claras Handy klingelte schon wieder. »Entschuldigung …« Sie stand auf und entfernte sich ein paar Schritte. »Ja, Hermann. Was ist los? Wo ist diese Venturas?«
    »Wir erreichen sie nicht. Irgendetwas ist mit ihrem Handy. Und all die Orte, die uns als mögliche Aufenthaltsorte Venturas’ genannt wurden, sind falsch. Wir haben Interpol eingeschaltet. Mehr können wir im Moment nicht tun. Sie ist irgendwo in der Schweiz. Mehr wissen wir nicht.«
    Clara schaute nachdenklich aus dem Fenster in die Nacht auf die Kuppel von St. Peter.
    Auch Isabel Venturas schien irgendwelche grauenvollen Dinge getan zu haben, von denen niemand wissen durfte. Hermann hatte gesagt, sie wolle menschliche Köpfe verpflanzen – ein abscheulicher, zutiefst amoralischer, ja blasphemischer Gedanke.
    Doch jemand wusste davon. Und zwar der, der es auf keinen Fall wissen durfte. Und er würde Venturas dafür töten, auf unvorstellbar grausame Weise.
    »Also ist die Frau nicht da, wo sie sein sollte«, sagte Clara. »Als ob …«
    Hermann beendete den Satz: »Als ob jemand nicht will, dass man sie findet.« Er senkte die Stimme. »Bevor er mit ihr fertig ist.«

30
    Der Fahrer öffnete Isabel Venturas die Tür der Limousine. Die Klinik mit ihren adretten weißen Mauern erhob sich majestätisch in den Schweizer Winterhimmel.
    »Ich habe mit der Oberschwester gesprochen«, sagte der Fahrer. »Ihr Zimmer ist fertig. Ihr Gepäck bringen wir Ihnen umgehend nach oben. Sie können noch eine Erfrischung zu sich nehmen.«
    Eine Krankenschwester mit schwarzen Haaren und rot geschminkten Lippen begrüßte sie.
    »Wir freuen uns, Sie bei uns zu haben, Frau Venturas. Wenn wir Ihnen zu Diensten sein können, sagen Sie es bitte.«
    Sie gingen durch die langen, eleganten Flure der Privatklinik. Es war nur ein kleines, aber sehr spezialisiertes Haus; dennoch wunderte sich Isabel, wie wenig Patienten sie zu Gesicht bekam.
    Als hätte die Schwester ihre Gedanken erraten, sagte sie lächelnd: »Wir haben eine Philosophie. Immer nur wenige Patienten gleichzeitig. Aber diesen Wenigen gehört unsere volle Aufmerksamkeit.«
    Sie öffnete die Tür zu einem prächtigen Zimmer.
    »Der Chefarzt

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