Seelenangst
würde für immer verschwunden bleiben.
»Viele Menschen glauben, den Teufel gibt es nicht«, hatte der Mann gesagt, der gleich zu den angehenden Priestern im Auditorium Maximum sprechen wollte. »Aber man muss ihn sich als Einbrecher vorstellen, der es darauf anlegt, unerkannt zu bleiben. Des Satans größte Errungenschaft ist die, dass er für nicht existent gehalten wird.« Der Mann, der diese Worte gesagt hatte, war Don Alvaro de la Torrez, Jesuitenpater und Stellvertreter von Don Gabriele Amorth, Chefexorzist des Heiligen Stuhls, dessen Amt Don Alvaro wohl bald übernehmen würde. Amorth war mittlerweile fast neunzig und hatte in seinem Leben Tausende von Exorzismen durchgeführt. Im Vatikan war man einmütig der Ansicht, dass Alvaro ein würdiger Nachfolger Don Gabrieles als oberster Exorzist sein würde.
»Der Exorzist als Nachfolger Christi« lautete das Thema der heutigen Vorlesung Don Alvaros.
Mit eiligen Schritten und voller gespannter Erwartung durchmaß Don Tomasso die hohen Säulengänge der Universität, öffnete die große Tür und betrat das Auditorium Maximum. Alvaro, dessen Pünktlichkeit legendär war, hatte bereits mit der Vorlesung begonnen. Trotz seiner mehr als siebzig Jahre bewegte er sich mit jener Gewandtheit, die Menschen eigen ist, die zielgerichtet und auf geordnete Weise ein langes asketisches Leben geführt haben. Sein vorstehendes Kinn mit dem kurzen grauen Bart und die wachen, durchdringenden Augen unter den buschigen Brauen zeigten eine Willensstärke, die manchmal ans Fanatische grenzte.
Der Beamer des Auditoriums hatte ein Bild des Satans an die Wand geworfen, daneben den berühmten Spruch von Papst Johannes Paul II.: »Wer nicht an den Teufel glaubt, glaubt nicht an das Evangelium.« Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt.
»Was ist der Teufel?«, fragte Don Alvaro nun in perfektem Englisch mit spanischem Akzent. Sein Blick huschte wie das Licht eines Suchscheinwerfers über die Studenten hinweg, deren Pulte sich in Dutzenden Reihen bis zur Kuppel des Saales erhoben. Was den Heiligen Stuhl anging, waren dessen Universitäten so global wie alle Business Schools. Nur sehr viel älter. »Existiert der Satan?«, fuhr Alvaro fort. »Oder existiert er nicht? Ist er stets präsent, oder ist er abhängig von der Stimmung und der scheinbaren Aufgeklärtheit des Menschen? Ist er wie trockene Blätter, die man im Ofen verbrennt oder die der Wind der Zeit hinwegfegt?« Anstatt auf eine Antwort zu warten, sprach er gleich weiter. »So wie Nietzsche einst vom Tod Gottes sprach, sprechen die heutigen Philosophen vom Tod Satans und reduzieren ihn auf ein mittelalterliches Symbol für das Böse. Sie bestreiten, dass es den Teufel gibt, doch sie bestreiten damit die Existenz des Bösen an sich.« Alvaro schritt die Reihen ab, den flammenden Blick auf die Gesichter der jungen Leute gerichtet. »Ihre Dummheit ist so ungeheuerlich, dass sie nur von der Barmherzigkeit Gottes übertroffen wird.«
Er nickte Don Tomasso kurz zu, der unauffällig Platz genommen hatte, und fuhr dann fort, wobei er auf das Zitat Johannes Pauls II. zeigte: »Wer nicht an den Teufel glaubt, glaubt nicht an das Evangelium. Aber das ist noch nicht alles. Wer nicht den Kampf gegen den Teufel als eines der größten Ziele des Christseins aufnimmt, verleugnet Jesus Christus. Selbst das Zweite Vatikanische Konzil stellte fest, dass die Geschichte der Menschheit ein Kampf ist, der mit der Erschaffung der Welt begann und erst mit dem Jüngsten Gericht endet. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Der Kampf gegen das Böse.«
Als Alvaro das Zweite Vatikanische Konzil erwähnte, hatte seine Stimme einen verächtlichen Beiklang angenommen. Don Tomasso kannte den Grund: Alvaro war kein Freund des Konzils, das zwischen 1962 und 1965 abgehalten worden war. Damals hatte die katholische Kirche weitreichende Reformen beschlossen, um sich dem Zeitgeist anzupassen. Diese Reformen waren der Grund dafür, dass Alvaro oft vom »Konzil des Teufels« sprach.
Die Seminarteilnehmer warfen einander unbehagliche Blicke zu. Alvaro schien es einen Augenblick lang zu genießen, bevor er weitersprach. »Denn was hat Jesus Christus am Ende zu den Jüngern gesagt?« Er reckte den Hals und blickte ins Auditorium.
»Sie sollen das Himmelreich verkünden, Kranke heilen und böse Geister austreiben«, sagte ein Priesteranwärter in der dritten Reihe.
Alvaro nickte und zitierte den entsprechenden Abschnitt aus der Bibel. »Geht aber und
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