Seelenangst
predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe gekommen. Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, und treibt die Teufel aus. Matthäus, Kapitel zehn, Vers sieben bis acht. Diese Worte hat nicht irgendjemand gesprochen, sondern Jesus Christus selbst. Zuerst zu seinen zwölf Aposteln, dann zu seinen zweiundsiebzig Jüngern und schließlich zu sämtlichen Gläubigen aller Zeiten und Länder.« Er kehrte zurück zum Pult. »Vierzig Tage lang hat Jesus in der Wüste mit dem Satan gerungen, um ihn schließlich mit den Worten Vade retro, Satanas zurückzuweisen: Weiche von mir, Satan. Wo immer Jesus war, da war auch Satan, denn er wusste, wie gefährlich der Sohn Gottes für ihn werden konnte. Satan fuhr in Judas hinein, sodass er seinen Herrn verriet, der grausam am Kreuz für uns sterben musste. Doch Christus siegte. Denn wie es unser großer Papst Johannes Paul II. verkündet hat: Christus war der erste und der größte aller Exorzisten.« Alvaro schaute mit strafendem Blick in die Höhe des Auditoriums. »Und da wagen einige dieser Schönwetterchristen zu behaupten, den Teufel gäbe es nicht!« Seine Stimme hatte eine schneidende Schärfe angenommen. Mehrere Nonnen, die in der ersten Reihe saßen, zuckten zusammen.
»Wenn der Teufel sich so gut versteckt«, fragte eine von ihnen, »ist er dann auch hier im Vatikan?«
»Ja!«, rief Alvaro mit einer unterdrückten Aggressivität, die sogar Don Tomasso zusammenzucken ließ. »Er ist überall, auch im Vatikan! Wie ein französischer Jesuit einmal sagte: Où Dieu est le plus présent là aussi se trouve son ennemi. Wo Gott ganz gegenwärtig ist, da ist auch sein Widersacher. Und je mehr Menschen seine Existenz leugnen, umso größer ist sein Wohlbefinden. Oh ja, er ist hier, in diesem Hörsaal. Er ist im Vatikan, er ist im Apostolischen Palast und spinnt dort seine Intrigen. Und ihr, die neue Generation von Priestern, bedenkt, dass der Satan existiert, dass es die Hölle gibt und dass sie für immer bestehen wird.«
»Don Alvaro«, sagte ein Student aus China, der in der ersten Reihe saß und eifrig mitgeschrieben hatte. »Verzeihen Sie die dumme Frage, aber was genau ist der Satan?«
Alvaros Mundwinkel zuckten kurz nach oben. »Die Frage ist keineswegs dumm, sondern eine der wichtigsten Fragen überhaupt. Deshalb werde ich die nächste Vorlesung diesem Thema widmen. Aber eine kurze Antwort vorab: Satan ist zunächst ein gefallener Engel. Er ist der Herrscher der Hölle. Vor allem aber ist er die Antithese aller Dinge. Der Vater erschafft, der Satan zerstört. Der Sohn erlöst, der Satan versklavt. Der Heilige Geist erleuchtet und tröstet, der Satan verdunkelt und quält. Er ist die Antithese der Dreifaltigkeit: Gott, Sohn und Heiliger Geist gegen Teufel, Antichrist und falscher Prophet. Und wenn er könnte«, Alvaro breitete die Arme aus, »würde er euch alle hier auf der Stelle töten. Und genauso, wie ihr das akzeptieren müsst, müsst ihr bereit sein, den Verlockungen des Bösen zu widerstehen, auch wenn sie noch so gefällig sind, und für die Wahrheit und für Christus zu sterben.«
Alvaros Stimme hatte einen triumphierenden Unterton angenommen. »Die gottgetreuen Seelen werden in der Ewigkeit des himmlischen Reiches beim Schöpfer sein, während Satan und seine Vasallen in den Abgrund geschleudert werden, wo sie Todesqualen leiden von Ewigkeit zu Ewigkeit.« Er ging ein paar Schritte nach vorne. »Es wird ihm niemals gelingen, die Kirche zu zerstören. Wie oft wurde sie angegriffen, denunziert, der Lächerlichkeit preisgegeben? Doch kein Aberglaube, kein heidnischer Glaube, kein Götzendienst und kein Satanskult haben der Mutter Kirche etwas anhaben können.«
»Was ist mit weißer Magie?«, fragte ein afrikanischer Priesterschüler. »Sie muss doch nicht schlecht sein. Ich habe oft gehört, dass durch weiße Magie Krankheiten geheilt werden können.«
Alvaro schüttelte energisch den Kopf. »Jeder Mensch, der behauptet, ein Magier zu sein, ist entweder ein Schwindler oder ein Diener Satans. Jede Magie ist schwarze Magie.« Er schritt zurück zum Pult. »Denn verflucht ist der Boden, auf dem tote Gedanken wieder neu in seltsamer Verkörperung leben, und böse ist der Geist, der nicht in einem Kopfe wohnt!«
Ein paar Sekunden herrschte beklommene Stille. Don Alvaro war kein Dozent, bei dem Langeweile aufkam, das musste Tomasso ihm lassen.
Ein Priesteranwärter aus den Philippinen stand auf. »Wir hören häufig von verlorenen
Weitere Kostenlose Bücher