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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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mein Herzblatt, du bist wirklich ein großer Schauspieler … nur das Stück gefiel mir nicht. Mir war kalt, und ich hab’s einfach nicht verstanden. Und dann hatte ich den Eindruck, dass Pepa dir nicht Paroli bieten konnte.«
    Â»Hast recht. Ich hatte das schon bei den Proben, dieses Gefühl.«
    Â»Manchmal dachte ich, du wärst allein auf der Bühne.«
    Â»Glaub auch. Pamela Anderson macht sich nicht gut bei Beckett.«
    Â»Bei diesem langweiligen, endlosen Warten.«
    Â»Diesem von so vielen interessanten und lehrreichen Dingen ausgefüllten Warten«, hielt Simeon dezent gegen.
    Er schnappte sich eine ihrer sündhaft teuren Zigaretten, goss sich zwei Fingerbreit von ihrem ebenfalls heftig ins Geld gegangenen bulgarischen Cognac ein. Dessislava verzieh ihm sofort. Sie schaute ihm ins Gesicht, das noch immer von innen heraus leuchtete, das Gesicht eines Menschen, der bis vor kurzer Zeit noch so hingebungsvoll und nervtötend verliebt in sie gewesen war und nun gleichsam gegangen war. Weit weg und für immer. Erneut kam der Schmerz in ihr hoch, dass nur Leere da war, wo eigentlich Schmerz und Verletztheit hätten sein müssen, Zorn und Eifersucht der normalen Frau, die zugesehen hatte, wie ihr etwas genommen wurde, das ihr gehörte.
    Simeon nahm einen Schluck Cognac, schloss die Augen und lächelte jenes Lächeln, mit dem wir uns an ein Erlebnis voller Glück und Zauber erinnern.
    Â»Ja, sie ist reichlich hilflos, die Arme«, sagte er verträumt.
    Â»Aber toll aussehen tut sie.«
    Â»Richtig talentlos.«
    Â»Richtig sexy.«
    Â»Dass ich nicht lache, mit diesen Möpsen …«
    Â»Werd nicht primitiv.«
    Â»Und Oberlippenbart hat sie, ob sie sich den wohl abrasiert?«
    Â»Du übertreibst.«
    Â»Die Achseln rasiert sie sich jedenfalls nicht.«
    Â»Tschuldige mal, Pepa ist der feuchte Traum jedes Bulgaren, der die Pubertät hinter sich hat.«
    Â»Träume hin, feucht her – ich bin halt nicht der Durchschnittsbulgare, Dess.«
    Er tat wirklich alles, um Pepa Koitscheva herunterzuspielen. Das gefiel ihr nicht. Es gefiel ihr nicht, wie er zielgerichtet seine Geliebte von vorhin heruntermachte. Indem er Pepas Talentlosigkeit übertrieb, kumpelte er sich gleichsam an sie, Dessislava, an und machte sie so zur Komplizin seiner Untreue. Warum machte er es so kompliziert, wo sie doch eigentlich nur schlafen wollte? Wenn sie sich jetzt den zweiten Strumpf anzöge und ins Ehebett legte, würde sie augenblicks einschlafen. Simeon lächelte wieder dieses zufriedene Lächeln. Das machte sie jetzt aber schon wütend.
    Â»Kein Durchschnittsbulgare? Sicher nicht. Aber dafür hast du sie bei der Vorstellung ganz schon mit deiner Peitsche bearbeitet. Man hatte den Eindruck, das geilt dich auf.«
    Â»Wollte der Paunov so …«
    Â»Gewalt als Form der Kommunikation, überwundener Entfremdung, psychischer Nähe? Du hast sie genau so bearbeitet wie ein Schuljunge, der ein Mädchen knufft und haut, in das er verliebt ist.«
    Â»Ich versteh dich nicht«, sagte Simeon so nervös, dass klar war, wie gut er verstand, und trank von seinem Cognac.
    Â»In der ersten Klasse hatte ich einen Mitschüler, der hatte Mühe mit dem Schreiben und war Bettnässer, aber schrecklich verliebt in mich. In jeder Pause wartete er auf dem Schulkorridor und drosch mir seinen Tornister ins Kreuz. Am schlimmsten war es in der großen Pause.«
    Â»Worauf willst du hinaus?«, tat er ahnungslos und leckte sich über die trocken gewordenen Lippen. Sein Lächeln sah nun traurig aus. Wirklich, er war ein begnadeter Schauspieler. »Was sollen diese Andeutungen?«
    Â»Ja, mein Herzblatt, du stehst einfach auf diese Frau mit dem Oberlippenbart und den unrasierten Achselhöhlen.«
    Â»Jetzt ist aber gut!«
    Â»Einen Moment dachte ich: Jetzt zerfetzt er ihr mit der Peitsche das Schlabberkleid, um es leichter hochschieben zu können, und dann holt er …«
    Â»Dessi, bitte!«
    Â»Unterbrich mich nicht! … und dann holt er ihre – wie sagtest du so schön – ›Möpse‹ raus und saugt dran wie an ’nem reifen Pfirsich.«
    Blass geworden, der erleichternden Möglichkeit beraubt, jemanden anderes zu spielen, drückte Simeon die Zigarette im Ascher aus und erhob sich. Ohne Bühne, ohne einstudierte Reaktionen fühlte er sich auf einmal talentlos. Er verließ das

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