Seelenasche
â¦Â«
»Vielen Dank für ⦠also â¦Â« Christo geriet vor Aufregung ins Stottern, verhaspelte sich. »Wer hat Ihnen eigentlich gesagt, dass ich über dreiÃig Millionen Mark verfüge, die ich in Ihr vielversprechendes Husarenstück investieren könnte?«
Toschevs unvermindert wachsame Augen füllten sich mit noch mehr Blei, um seine Lippen spielte ein melancholisch verhaltenes Lächeln, als sei er traurig darüber, dass Christo so wenig selbst auf den Trichter kam.
»Das ist kein Husarenstück, Herr Weltschev, sondern einfach nur ein selten günstiger Handel. Mariana liegt mir schon lange in den Ohren, ich solle Sie mit ins Boot holen; aber das mit dem Geld, das hat mir General Grigorov gesteckt. Der fühlt sich ebenfalls beflügelt beim Gedanken an unsere Zusammenarbeit.«
Toschev schnippte mit den Fingern. Augenblicklich kam Bewegung in die vier Kellner, als habe der Magnat an einem unsichtbaren Faden gezogen. Er lieà sich eine kubanische Zigarre kommen. Der blaugraue Rauch hüllte sein Gesicht in einen Schleier, der es undeutlicher erscheinen lieÃ, gleichzeitig aber auch den inneren Schmerz des Mannes stärker hervortreten lieÃ. Einen so unrettbar einsamen Menschen hatte Christo sein Lebtag noch nicht getroffen. Doch diese Einsamkeit flöÃte kein Mitleid ein, sondern löste bei ihm eine diffuse Angst aus, Angst um sich selbst .
»Arme Leute sind glücklicher als reiche«, sagte Toschev unerwartet, aber mit der traurigen Gewissheit des zum Reichtum Verdammten, »denn der Arme kann noch davon träumen, dass er, wenn er eines Tages im Lotto gewänne, glücklich sein würde. Der Reiche hingegen lernt rasch den Unterschied kennen zwischen der Macht und GröÃe des Geldes, und dem Glück. Nun, wie es aussieht, sind Sie ebenfalls unwiderruflich für das Glück verloren!«
Christo lächelte höflich, aber voller Beklemmung, zog sich die Stoffserviette vom Hals, legte sie auf den Tisch und sagte:
»Verzeihen Sie, aber ich würde gern meine Frage beenden â¦Â«
»Fragen Sie, fragen Sie â¦Â«
»Sie haben doch diese dreiÃig Millionen auch ohne mich, stimmtâs?«
»Nein, habe ich nicht. Aber ich könnte Sie ohne Schwierigkeiten von einem anderen Geschäftsmann bekommen, notfalls von einer Bank.« Toschev zeigte mit dem Kinn auf Christos Teller. »Wie schön, dass Sie Appetit, dass Sie noch immer Appetit haben.«
Beflissen wie ein Mensch, der etwas weiÃ, was andere noch nicht wissen, näherte sich der Oberkellner, mit ausdruckslosem Gesicht und feinem Schnurrbärtchen.
»DrauÃen wimmelt es nur so vor Pressefotografen, Herr Toschev, vor allem jenen unserer beiden auflagenstarken Tagesblätter.«
»Dank dir, Jean, wir gehen dann durch den Hinterausgang.« Er holte fünfzig Dollar aus seiner Brieftasche und stopfte sie dem hilfreichen Ober in die Brusttasche. »Ach, und was Herrn Weltschev hier betrifft: Ab sofort empfangen Sie ihn an der Tür. Er ist von heute an mein Teilhaber!«
»Sehr wohl, Herr Toschev.« Die öligen Augen des Obers saugten Christo kurz ein und spuckten ihn wieder aus, als sei der ein Blatt, das durch einen Fotokopierer lief.
6
Sie parkten die Wagen auf einer LandstraÃe, deren Asphaltdecke geplatzt und von zahllosen Regenfällen ausgehöhlt und durchlöchert war. Zehn Minuten lang gingen sie verstohlen im Zirpen der Grillen unter einem roten Abendhimmel entlang; dann kamen über dem Bahnhof von Dragoman auch die Sterne heraus, dünn, vom toten Neonlicht der Parkplatz-Laternen zerfressen wie von einem Säurebad. Es herrschte eine bedrohliche Stille. Die Luft war erfüllt von den Gerüchen nach aufgeheizter Sommerwiese mit ihren Kräutern und Gräsern, und nach Kohlenfeuer, verpichten Schwellen, endloser Reise und Fahrtunterbrechung, gerade lang genug, um sich etwas die Beine auf dem Bahnsteig zu vertreten. Der Parkplatz war leer, aber von Abfällen und Verpackungsmüll übersät. Alles wirkte wie eine aufgelassene Goldgräbersiedlung. An den Zweigen der Bäume hingen schlaffe Plastikfetzen, die in der hereinbrechenden Dunkelheit aussahen wie entartete Schoten. Die beginnende Nacht mit ihrer Kühle verstärkte noch die Atmosphäre der Verlassenheit, in der man vermeinte, jeden Augenblick einen überfahrenen Hund zu entdecken, achtlos in den StraÃengraben geworfen.
Sie betraten
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