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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Erschrecken:
    Â»Bei euch zu Hause ist doch nicht etwa jemand krank?«
4
    Mit seiner schmucken Uniform, den Epauletten an den Schultern und den breiten roten Lampassen an den Hosenbeinen verkörperte der Piccolo die ganze arrogante Blasiertheit eines »Können Sie sich unser Hotel auch leisten, mein Herr?«. Christo warf er bei dessen Eintreten überhöflich die tückische Frage hin: »Suchen Sie jemanden?« Bei falscher Beantwortung würde sein liebenswürdiger Ton sogleich in Ironie und Spott umschlagen. Christo schaute ihn kalt und verächtlich an, um ihn in die Schranken zu weisen, und antwortete, nachdem die Rangordnung geklärt war, knapp:
    Â»Ich suche Herrn Toschev, Eduard Toschev.«
    Â»Herr Toschev erwartet Sie bereits«, sagte eine Stimme von der Seite. Aus dem Schatten einer tragenden Säule löste sich eine Gestalt mit kurzgeschorenem Haar, kleinen Augen, einer dafür umso größeren Adlernase und Händen, mit denen man Wassermelonen greifen konnte. Dieser Mann konnte sich nur in Spezialgeschäften für Übergrößen einkleiden; seine Schuhgröße ging sicher in Richtung 50. Unter seinem geöffneten Sakko schaukelte ein Halfter, das mehr als gut mit einer Maschinenpistole gefüllt war. Der Piccolo sah zu, dass er sich aus dem Staub machte. Der Hüne, der mit seinem schwarzen Anzug vermittelte, dass er jederzeit auf eine unerwartete Beerdigung vorbereitet war, machte ihm ein Zeichen und ging vor ihm her durchs Foyer, das schimmerte im Abglanz kostbarer Steinfliesen.
    Zu dieser Nachmittagsstunde war die Bar des Sheraton-Hotels Balkan noch leer und anheimelnd schummrig. Der Barkeeper spülte verschlafen ein Glas nach dem anderen, die Bedienung, eine schöne Blondine mit auftoupiertem Haar, lehnte an der Seite, als habe man sie zur Dekoration eingestellt, und wartete auf Bestellungen. In den Ecken hatten sich Toschevs Leibwächter aufgebaut, die in ihren Körpermaßen nur wenig dem Recken nachstanden, der Christo herbrachte, und an einem einsamen Tischchen, abseits der großen Schaufenster zum Platz der Unabhängigkeit, über den zu dieser Stunde Menschen von der Arbeit nach Hause eilten, saß ein Mann und las Zeitung. Etwas Verhaltenes ging von ihm aus, etwas, das einem den Atem gefrieren ließ und den Raum um ihn her erfüllte wie Ozongeruch die Luft vor einem Gewitter. So also roch die Macht, fuhr es Christo in einer Eingebung durch den Kopf. Als er Christo kommen sah, stand der Herr auf und sagte mit der ganzen Liebenswürdigkeit, deren sein hartes, aber intelligent wirkendes Gesicht fähig war:
    Â»Herr Weltschev, schön, Sie zu sehen.« Dann versteinerten seine Züge plötzlich, als er sich an den Hünen wandte, der Christo an seinen Tisch geleitet hatte: »Wie oft soll ich euch noch sagen, dass ihr diese Bügeleisen da nicht so raushängen lassen sollt. Ich will nicht, dass meine Leute aussehen, als liefen sie mit offener Hose herum.«
    Unterwürfig knöpfte sich der Leibwächter sein Sakko zu, dann trat er fünf Schritte zurück und erstarrte auf der Stelle. Die Kellnerin eilte herbei.
    Â»Ich schlage vor, wir nehmen hier den Aperitif zu uns und speisen dann gleich im Restaurant zu Abend«, schlug Toschev in verbindlichem Ton vor. »Was ziehen Sie vor – Whisky oder Wodka?«
    Â»Wodka.«
    Â»Ganz recht so. Den können wir dann gleich zur Vorspeise konsumieren.«
    Toschev bestellte zwei große Wodka und zwei kleine Vorspeisenteller mit Meeresfrüchten. Während des langen, unbehaglichen Schweigens, das folgte, hatte Christo Zeit, sich sein Gegenüber genauer anzuschauen. Toschev war kein schöner Mann. Er wirkte ausgezehrt und schlaksig, seine Gesichtshaut war gelblich wie Pergament, sein Kopf kahlgeschoren. Am ungewöhnlichsten aber waren seine Augen, starr und wachsam, die einen durchbohren oder hypnotisieren konnten. Christo hielt dem forschenden Blick dieser Augen nicht stand und wandte den Kopf ab.
    Â»Ich bin der Ehemann von Mariana Ilieva«, sagte Toschev schließlich.
    Â»Ich weiß«, sagte Christo und spürte eine bleierne Schwere in sich aufsteigen, als seien Toschevs Augen Gravitationszentren.
    Â»Sie haben ihr viel geholfen.«
    Â»Aber ich bitte Sie, Herr Toschev, das war doch nicht der Rede wert.«
    Â»Nicht so bescheiden, Herr Weltschev, Mariana hat mir alles erzählt.«
    Â»Sie hat sicher

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