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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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voll, blutrot unter, die Sterne gewannen an Tiefe und Kraft, der Himmel schwoll, erhaben, ewig und ohne Sinn.
    In diesem Moment tauchten auf der Landstraße, die von Sofia kam, Scheinwerfer auf und bohrten ihre langen Kegel in die noch junge Nacht. Bald überquerten ein Mercedes und ein BMW die Überführung über die Gleise und bogen auf den Parkplatz ab. Sie hatten kaum angehalten, da schossen aus der dunkelsten Ecke des Platzes schwarzen Riesenkäfern gleich vier große Jeeps heraus und hielten so dicht zu Seiten der beiden Luxuslimousinen, dass deren Insassen die Türen nicht einen Spalt öffnen konnten. Zuerst war noch wütendes Geschimpfe zu hören, doch bald wurden die Drohungen und Befehle immer kleinlauter und verebbten schließlich ganz. Die Neuankömmlinge hatten wohl verstanden, dass ihre Luxuslimousinen sie keineswegs unverwundbar machten, und Christo stieg in der eingetretenen Totenstille durch den immer penetranter werdenden Gestank der scharfe Geruch seiner eigenen Angst in die Nase.
    Â»Bitte tun Sie doch etwas, das ist ja …«, stotterte er.
    Â»Seien Sie unbesorgt, Herr Weltschev«, sagte Toschev und strich sich mit einer Geste souveräner Macht über seinen Kahlkopf, »in dem BMW da sitzt einer der Stellvertreter des Generalstaatsanwalts, der auf meiner Zuwendungsliste steht und mich trotzdem verpfiffen hat, und im Mercedes haben Sie den Chef der staatlichen Agentur für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Dem reicht wohl das Geld auch nicht, das ich ihm durch meine Leute zukommen lasse, denn der Mann macht sich ein bisschen sehr wichtig und spielt den pflichtbewussten Prinzipienreiter. Aber jetzt sollen Sie mal sehen, wie der weich wird, wenn er sich erstmal in die Hosen geschissen hat.«
    In diesem Moment durchschnitt der Pfiff einer Lokomotive die Nacht, gefolgt vom fernen Rattern eines herannahenden Zuges. Nur schwach erhellt von der Neonbeleuchtung, wirkte er wie ein Phantom, das umso gespenstischer war, als es gar nicht enden wollte. Der Zug bestand aus gewöhnlichen, rostig-roten Güterwagen und einer ganzen Reihe von zylinderförmigen, mit Erdöl gefüllten Tankwagen.
    Â»Das ist doch die Grenze, und der Zug hält gar nicht«, entfuhr es Christo.
    Â»Natürlich hält er nicht.« Eduard Toschev fuhr sich wieder mit dieser sonderbar ruhigen Handbewegung über die schimmernde Glatze. »Für heute Abend haben wir eine Ausfuhrerlaubnis nach Serbien für zwei Zisternenwagen, angehängt sind aber achtzehn. Außerdem kann der Zoll auf diese Weise keinen Stempel unter den Wisch setzen, und wir können die Konzession morgen gleich noch einmal verwenden. Das war es auch, was dieser Hosenscheißer von der Polizei feststellen wollte, und den Staatsanwalt hat er mitgeschleppt, um ein bisschen mehr Druck zu machen.« Er ließ ein gefährliches Lachen hören. »Spielt hier den couragierten Law-and-order-Mann, und wozu? Doch nur, um mir mehr Penunzen aus der Seite zu leiern!«
    Christo seufzte schwer.
    Â»Aber Sie tun den beiden doch nichts an?«
    Â»Herr Weltschev, seien Sie doch nicht so naiv«, lachte Toschev säuerlich, »ich brauche diese Herrschaften doch noch. Verstehen Sie denn nicht? Die sind mein bester Schutz!«
    Â»Ehrlich gesagt … Ich bin entsetzt! Für so etwas können Sie ins Gefängnis kommen, und ich gleich mit Ihnen.«
    Â»Ach was, ins Gefängnis kommen nur kleine Fische, die großen kaufen sich eins – wenn es sein muss, mitsamt Personal.«
    Die lange Zugschlange, an deren Ende eine zweite Lokomotive angehängt war, löste sich in der Dunkelheit auf. Die nun eintretende Stille war beklemmend. Dazu der Anblick des leeren, in bläuliches Licht getauchten Bahnsteigs …
    Die vier Jeeps fuhren wie auf Verabredung ein paar Meter gleichzeitig im Rückwärtsgang, dann bogen sie, ohne die Beleuchtung einzuschalten, Richtung Dragoman davon. Die beiden Limousinen der hohen Staatsdiener blieben einsam, durch die Nachtsichtgeräte entfärbt, wie vergessen zurück. Erst nach einer Weile kehrte Leben in die Motoren zurück, die Wagen starteten hastig und fuhren auf der Landstraße zurück nach Sofia.
    Â»Das wollte ich wissen«, sagte Eduard Toschev leise, »ob sie es, ob einer von ihnen es wagen würde, zum Bahnhof zu fahren, nachschauen.«
    Er legte sein Nachtfernglas ab, rieb sich zufrieden die Hände, als habe er sie

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