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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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halb im Scherz.
    Â»Na ja, wenn ich Sie mir so im Fernsehen anschaue und wie Sie jetzt leibhaftig vor mir stehen … Sie sehen mir nicht aus wie ein AIDS-Infizierter.« Der Arzt seufzte, kreuzte auf der Bescheinigung unter der Überschrift »AIDS-Infektion« das Kästchen »liegt nicht vor« an und – unterschrieb es.
    Den Tag der Eheschließung legten sie auf Samstag. Die Chefin des Zeremoniensaals, in dem die Trauung vollzogen werden sollte, eine füllige und neckisch schielende Dame, die sich gut an den Runden Tisch erinnerte und auch Sieben Tage schaute, war gern bereit, trotz ihres vollen Terminkalenders Dida und ihn am frühen Nachmittag zwischen zwei andere Eheanwärter zu schieben, die monatelang auf einen freien Platz hatten warten müssen.
    Â»Unter den gegebenen Umständen würde ich Sie nur bitten wollen, dass sich die Hochzeitsgesellschaft in etwas bescheidenerem Rahmen bewegt«, sagte sie mit jenem bedeutungsvollen Wimpernklimpern, das verriet, dass sie hoffte, endlich einmal alles kennenzulernen, was im bulgarischen Staatsfernsehen Rang und Namen hatte.
    Â»Seien Sie ganz beruhigt«, erwiderte Jordan, »wir werden nur zu viert sein – die Braut, ich, und die beiden Trauzeugen.«
    Â»Och … Da bin ich ja … ja … ja sehr beruhigt«, versuchte sie gar nicht erst, ihre maßlose Enttäuschung zu verbergen.
    Die Hochzeiten vor und nach ihnen waren zum Ausgleich pompös bis zum Anschlug, mit Blasorchester und allem Drum und Dran; darum machte die Standesbeamtin, dass sie Jordan und Dida so schnell wie möglich durchwinkte. Seinen Ring hatte Jordan sich von seinem Noch-Chef Gospodinov ausgeliehen, der dies zum Anlass nahm, seinem sprichwörtlichen Geiz alle Ehre zu machen und auf weitere Geschenke zu verzichten. Statt einer guten Flasche Champagners hatte er eine Flasche bulgarischer Billigbrause der Marke Iskra mitgebracht, die er sicher bei einer Neujahrsfeier im Sender hatte mitgehen lassen. Daniela trug einen erlesenen Ring aus Weißgold mit einem stecknadelkopfgroßen Diamanten, den ihr Sima geschenkt hatte. »Der ist von meiner Großmutter«, hatte sie Dida gesagt, »und ich gebe ihn dir, weil ich im Leben keinen glücklicheren Menschen als meine Oma kennengelernt habe.«
    Nach vollzogener Trauung gingen sie in ein chinesisches Restaurant hinter dem Frauenmarkt, das unscheinbar aussah und auch vergleichsweise preiswert war, aber mit unglaublich leckerer Küche. Daniela strahlte. Wie sie so zugleich glücklich und versonnen dasaß, war sie hinreißend schön.
    Nach dem dritten Schnaps war der Trübsinn in Gospodinovs Augen verdunstet, auf seinen Wangen erschien eine rustikale Röte. Er kostete von der Garnelen-Algen-Suppe, dann von der Haifischflossensuppe, schnalzte hochzufrieden mit der Zunge. Er drehte an seinem Ring, den er direkt nach vollzogener Trauung von Jordan zurückverlangt hatte, und sagte nachdenklich:
    Â»Ich freu mich für dich, Weltschev.«
    Â»Wir freuen uns für beide«, schaltete sich Sima ein, »weil sie sich wirklich lieben.«
    Â»O nein, das meinte ich nicht.« Gospodinov machte ein mürrisches Gesicht. So launisch und kapriziös, war er ganz er selbst: kleinlich, boshaft, aber unersetzlich. Er selbst scherzte manchmal, er sei wie ein Fettauge: »Macht Flecken, schwimmt aber in jeder Brühe oben.« Als er glaubte, die anderen lange genug mit seiner Gekränktheit erfreut zu haben, fuhr er gedehnt fort: »Mir ist schon klar, dass heute Geld alles ist und dass Zukunft hat, wer Geld einbringt. Die Frage ist nur, ob du mit deinem Talentchen so einer bist oder nicht. Deine dicke Brieftasche da, dieser Toschev, wird dich jedenfalls benutzen, solange du was abwirfst, und danach höchst elegant vor dem Arbeitsamt aus der Limousine schubsen.«
    Â»Nimm ihm doch nicht die ganze Vorfreude«, fuhr Sima dazwischen.
    Â»Tu ich ja gar nicht«, widersprach Gospodinov gallig, »ich sporne ihn bloß an. Ich werde in einem halben Jahr pensioniert, und das Erste, was der, der meinen Platz einnimmt, tun wird, ist Sieben Tage aus dem Programm zu nehmen … Ist doch gar keine Frage, dass Alphavision das Beste ist, was Jordan passieren konnte.« Er unterbrach seine Ausführungen, um das Honorar für seine Einsichten in Naturalien zu sich zu nehmen, solange es noch welche gab: Schweinefleisch in Bambus-Pilz-Sauce, Ente in süß-saurer Sauce

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