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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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kniete. Der Inspektor erkannte seinen berühmten Gast sofort. Dem Alter nach hatte er schon Jordans Runden Tisch gesehen, dann seine Sieben Tage , und bevorzugte nun das Nachrichtenmagazin Schaufenster vor den trivialen Abendnachrichten im staatlichen Fernsehen.
    Â»Nicht zu glauben, Jordan Weltschev persönlich«, sagte er und drückte im Prestissimo auf das Ende seines armen Kugelschreibers.
    Â»Sie haben sich so unverhofft bei mir gemeldet«, erwiderte Jordan, »ich wurde gerade in einem Wagen Herrn Toschevs von Bojana zurück nach Sofia gefahren.«
    Â»Wenn ich das morgen beim Frühstück der Meinigen … meinen beiden Frauen zu Hause erzähle, wer heute bei mir im Büro war – die werden mir das nicht glauben.«
    Â»Gott sei Dank gab es keinen Stau, sodass ich in einer Viertelstunde hier sein konnte.«
    Â»Meine Frau und meine Tochter finden Sie toll, ach, was rede ich, sind glühende Fans von Ihnen!«
    Â»Na, vielleicht nicht in fünfzehn Minuten, aber doch in einer halben Stunde.«
    Â»Ja, ja, der hochverehrte Herr Toschev. Gut, dass er Sie nach Alphavision geholt hat. Sie haben diesem, verzeihen Sie meine Offenheit, Arsch-und-Titten-Sender überhaupt erst mal ein Programm verpasst, das diesen Namen verdient!«
    Obwohl das Kompliment stimmte, war die ganze Lobhudelei Jordan peinlich, so peinlich, dass ihm in den Sinn kam, den begeisterten Kripomann etwas auf den Teppich zurückzuholen, indem er ihm zeigte, wie käuflich er eigentlich war! Dazu brauchte er ja nur ein paar Passagen aus seinem neuen Vertrag vorzulesen oder ihm zu erzählen, wie es bei Toschevs zu Hause so aussah, vom schmiedeeisernen Tor über die feudale Kieszufahrt, die an dem künstlichen See mit den Springbrunnen und Wasserfällen vorbeiführte, bis zur Beschreibung des riesigen Hauses selbst. Offenkundig wurde er unerzogen und bös, stellte er fest, genau wie damals: unduldsam, kleinlich und bös!
    Â»Wenn ich das den Meinen zu Hause …«
    Â»Wo ist Sie?«, fragte Jordan so ohne Einleitung, als ginge es um ein Mädchen, das von zu Hause ausgerissen war und durch die kalte, gefährliche Nacht irrte.
    Â»Oh, wie ich Sie verstehen kann!«, stöhnte der Beamte.
    Jordan bemerkte, dass er seine Frage nicht richtig gestellt hatte, verbesserte sich und versuchte, sein berühmtes Lächeln aufzusetzen:
    Â»Wie geht es ihr?«
    Â»Ihr geht es … Der Ort, an dem Ihre Frau sich jetzt befindet, ist mit Sicherheit ein besserer Platz als die Welt, in der wir leben. Dort gibt es wenigstens Gerechtigkeit, weil sie dort nicht von uns Menschen abhängt!«
    Â»Wollen Sie damit sagen …«
    Â»Ja. Sie muss mit einer Geschwindigkeit von etwa hundertzwanzig Stundenkilometern gefahren sein, und die Kurve, in der es passiert ist, hatte einen Winkel von kaum sechzig Grad. Dann dieser Nieselregen. Der Nebel. Sie waren nicht da …«
    Â»Ich war nicht da?«
    Â»Das soll kein Vorwurf sein; es ist einfach nur Teil des Tatbestandes. Tragische Vorfälle sind immer multikausal, sind eine Folge unglücklicher Umstände, die sich mit der Zeit anhäufen in dem, was wir unser Leben nennen.«
    In diesem Moment schaltete Jordan, dass dieser ihm so wohlgesonnene Mann die ganze Zeit von Dida, von Daniela, von seiner Frau redete und alles, von den Komplimenten angefangen, Versuche waren, ihn sozusagen erst zu betäuben und dann, noch während er die unangenehme Wahrheit aussprach, zu trösten. Er hatte das komische Gefühl, wenn er noch länger in dieser trostlosen und schlecht erleuchteten Amtsstube blieb, wäre es um Dida wirklich geschehen. Aber was konnte er tun? Wohin sollte er gehen? Wen bitten?
    Die dienstlichen und für diese Dienstlichkeit zugleich um Verzeihung bittenden Worte des Beamten vor ihm berührten ihn nicht, obwohl die Wahrheit nun in sein Bewusstsein vorgedrungen war. Wie war es dazu gekommen? Er sah noch einmal, wie seine Frau besinnungslos vor Entsetzen ins Wohnzimmer und zu ihm in die Bibliotheksecke gestürzt war, wie er nicht realisieren konnte, was sich zwischen ihr und Eduard Toschev zugetragen haben musste, das sie so aus der Fassung gebracht hatte. Und während sie außer sich gewesen war vor Entsetzen, war er außer sich gewesen vor Freude und Stolz, und so hatte er sie einfach hinauslaufen lassen in Nacht und Nebel, um … ihre Zukunft , wie er meinte, Danielas, Jonas und seine Zukunft zu

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