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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Verzweiflung, fast hysterisch. »Sie machen es überall – massenweise. Außerdem: Du bist Mann. Wenn einer dafür Prügel bezieht, bin ich es.«
    Â»Genau da drückt mich der Schuh. Ich möchte nicht, dass wegen mir über dich geklatscht wird und dein Name einen schlechten Klang bekommt. Das würde ich mir nie verzeihen.«
    Â»Dieser Bauerntrampel Sdravkov versteckt mich überhaupt nicht. Er fährt mich in sein Wochenendhaus, als wäre ich seine Lieblingsschwägerin. Ich hab das Gefühl, demnächst macht er mich mit seiner Frau bekannt und seinen pickeligen Söhnen gleich dazu. Und du …«
    Â»Ich bestehe nur darauf, dass wir vernünftig sind. Nicht aus Egoismus, sondern deinetwegen.«
    Christo und Mariana trafen sich in einem Hotel auf dem Georgi-Dimitrov-Boulevard kurz vor der Löwenbrücke, von dessen Fassade der Verputz bröckelte. Den Namen konnte man wegen der durchgebrannten Neonröhren-Buchstaben kaum entziffern. In diesem Schuppen arbeitete Nina, eine alte Mitschülerin Christos, als Leiterin der Rezeption. An geraden Kalendertagen hatte sie Frühdienst, an ungeraden Spätdienst oder Nachtschicht. Sie sorgte dafür, dass Zimmer 505 immer für ihn frei war. Fünf Etagen über dem lauten Boulevard, hatte es nur den Himmel und den Regen über sich. Beim Untergehen landete die Sonne taubenflatternd auf der Fensterbank. Im Zimmer roch es nach muffigem Bettzeug und sporadischer menschlicher Gegenwart, nach Fliegengift und Kakerlakenvernichtungsmittel. Die Einrichtung bestand aus einem riesigen, schrecklich knarrenden Bett mit wackligen Tafeln an Kopf- und Fußende, aus einem Kleiderschrank mit ausgeleierten Scharnieren, einem ausgebleichten Plüschhocker und einem Frisiertisch mit Spiegel. Das Türschloss hakte, die Nachttischlampe funktionierte nicht, der Leuchter an der Decke knauserte ebenfalls mit dem Licht. Bad und Toilette, in denen es penetrant nach Seife, Bleichmittel und Chlorkalk roch, befanden sich am Ende des Ganges. Alles war unbequem und sperrmüllreif, und genau das machte es so erregend und romantisch.
    Â»An mich denkst du? Deine verdammte Sorge erdrückt und erniedrigt mich, verstehst du? Sie bringt mich noch um.«
    Â»Nur noch ein bisschen«, sagte er und drückte sie an sich.
    Â»Ein bisschen was?«
    Die Traurigkeit umfing sie wie eine Aureole, die sündhafte Gedanken weckte und ihre Liebesspiele wilder und lüsterner machte. Mariana Ilieva war eine Frau von dreiunddreißig Jahren, also fünf Jahre älter als er, hatte aber schon mit achtzehn Jahren geheiratet und einen Sohn, der bereits in die siebte Klasse ging. Inzwischen war sie geschieden. Ihre Geschichte, verrückt und zusammenhanglos wie das Leben selbst, kannte das ganze Ministerium. Ihr Mann hatte lange bei der Holzgewinnung in Komi, in den endlosen Weiten der russischen Taiga, gearbeitet, anfangs als Komsomolzensekretär der Arbeiterbrigade, schließlich als unterer Vorgesetzter. »Er kam immer nur im Sommer für drei Wochen auf Heimaturlaub«, hatte Mariana ihm erzählt, »ausgemergelt, stumpfsinnig geworden vor lauter Sauferei und zerstochen von Mücken. Ich hab das alles ertragen, weil wir mit seinem Lohn unsere kleine Wohnung abbezahlten.« Nach acht Jahren Hin und Her und Arbeit im Ausland sei ihr geschiedener Ehemann schließlich wegen einer Massenschlägerei mit den sowjetrussischen Kollegen abberufen worden und nach Bulgarien zurückgekehrt. Einen Monat später habe es an ihrer Tür geklingelt. Auf der Schwelle stand eine riesige aufgedonnerte Russin, die nach einem schwülen Parfüm roch und sie frech mit ihrem Blechzahn anlächelte.
    Â»Ich bin gekommen, und zwar für immer«, sagte sie schlicht und hievte ihre überladenen Koffer in die Diele, »mein Mann wohnt hier, mein einziger, mein unvergleichlicher Kolja.«
    Das war mehr als seltsam, denn Mariana war nicht einfach nur schön, sie war von einer Schönheit, die man nicht mehr loswurde. Sie hatte Augen von einem seltenen Grün, die leicht schielten, verträumt wirkten und an den Enden langgezogen waren wie die einer Katze. Ihr Haar – lackschwarz und ungestüm, ihre Haut zart und mit samtigen Reflexen. Christo fielen als Erstes ihre Beine auf, lang, anziehend und unschuldig, als entstiegen sie soeben dem Paradies, dann ihre Brüste, quirlig und fordernd, die jeden Moment ihr Dekolleté zu sprengen

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