Seelenasche
schienen; erst dann versank er im kühlen Grün ihrer Augen, die aufmerksam und durchdringend auf alles schauten. Zum ersten Mal war er ihr vor dem Büro des Ministers über den Weg gelaufen und regelrecht gegen ihre Schönheit geprallt. Blind vor Ãberraschung, fiel ihm nur die abgedroschenste aller Phrasen ein:
»Haben wir uns nicht schon mal irgendwo gesehen? Sie sind Journalistin, nicht wahr?«
»Genau«, lächelte sie angesichts seines verwirrten Gesichtsausdrucks.
»Mein Vetter Jordan, Jordan Weltschev, arbeitet beim Fernsehen, und der hat diesen feinen Geschmack, also, arbeiten Sie nicht zufällig in seiner Redaktion?«
Mariana lachte kurz und dezent.
»Was reden Sie da! Der Genosse Weltschev gehört zu den Auserwählten, die den heiligen Runden Tisch leiten. Ich war bloà eine normalsterbliche Reporterin beim Radio, Nachrichtenredaktion.«
Nun also war Mariana die Schönheit vom Dienst im Ministerium, und alle machten ihr den Hof, vor allem Minister Sdravkov selbst, der noch etwas grün hinter den Ohren war, und ein Direktionsleiter, ein alter Junggeselle, der mit seiner Mutter in einem riesigen Appartement auf der Rakovski-StraÃe wohnte. Christo begegnete ihr auf den Fluren, bei Sitzungen der Stellvertreter des Ministers, im Dienststellencafé und mittags in der Kantine. Er war der Einzige, der ihr nicht auf die Nerven ging, sie nicht zu Premieren einlud und nicht ins Panorama-Restaurant des Japanischen Hotels; er verzichtete auf zweideutige Anspielungen, strebte nicht danach, sie zu seiner Geliebten zu machen, und war einfach nur freundlich zu ihr â wie ein guter Kollege. Oder so etwas wie der groÃe Bruder ihres Sohnes! So groÃartig und begehrt Mariana auch war, Christos Herz war seit langem verwundet und gehörte einer anderen. Diese nicht gespielte Unaufdringlichkeit stach derart vom Benehmen aller anderen Männer ab, dass sie zunächst Marianas Aufmerksamkeit erregte, sie dann verblüffte und ihr schlieÃlich einen Stich gab. Am Ende wurde sie derart in Christos Bann gezogen, dass sie ihm erlag. Jede wirklich schöne Frau verhält sich instinktiv nachlässig den Männern gegenüber, die ihr schmeicheln und sie erobern wollen, ist aber machtlos, ja, geradezu hilflos denen gegenüber, die sie einfach links liegenlassen. Sukzessive verfiel sie ihm mit der ganzen GröÃe einer wirklich verliebten Frau und verwandelte sich in seine Sklavin.
Als er sich mit ihr zum ersten Mal in Zimmer 505 des Hotels Rhodopen verabredete, war es drauÃen klamm und kalt. Schnee wirbelte durch die Luft, die sich in ihrer Leidenschaft mit Elektrizität auflud, ja, regelrecht zu brodeln anfing wie bei einer Fata Morgana. In das breite Doppelbett kam Leben. Wie durch ein Wunder fiel es weder auseinander, noch knarrte es, sondern seufzte mit, stöhnte, stieà Laute aus. Christo war zügellos und grob mit ihr. Die Lust war so zerreiÃend und der Schlummer danach so betäubend, dass er am nächsten Morgen seinen ersten â und letzten Bericht über Mariana Ilieva schrieb.
11
In der Regel holte sie den Schlüssel an der Rezeption ab und fuhr mit dem Aufzug hoch in die fünfte Etage, während er die Treppe nahm. Auf seine Anordnung hin erwartete sie ihn fertig ausgezogen im Bett und schämte sich. Unter der bis zum Kinn hochgezogenen Decke trug sie nichts als ihre Ungeduld. Er beeilte sich nicht, sie herauszuschälen und zu lieben, bis ihr Schmerz in Stöhnen übergegangen war, sondern zündete sich erst einmal eine Zigarette an, spülte zwei Gläser im Waschbecken aus, goss je einen Fingerbreit Whisky aus dem Flachmann hinein, den er wie der alte Churchill in der Innentasche seines Ãbergangsmantels trug. »Eine betrunkene Frau ist ein Engel im Bett«, warf er ihr frech hin, doch nicht das war der Grund für seine Hartnäckigkeit. Mariana sollte sich seine Zuwendung verdienen, indem sie ihm zunächst alles haarklein erzählte, was sie aus diesem unfähigen Ministertrampel Sdravkov herausbekommen hatte. Sie brauchte Liebe, Christo Informationen, genauer gesagt: pikante Details und Schwachstellen. Wenn Mariana ihm keine neuen kompromittierenden Einzelheiten brachte, machte er ihr aber weder Vorwürfe, noch wurde er böse; er blieb in seinen Liebkosungen einfach ein wenig zurückhaltender und kühler, so als habe er etwas von der Steifigkeit der gestärkten Laken angenommen,
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