Seelenband
rutschte noch ein Stück tiefer, als sein Blick auf ihren Toyota fiel. Einen Moment lang starrte er ihn intensiv an, dann erschien ein kleines Lächeln auf seinen Lippen und er setzte sich endlich in Bewegung.
Valerie wartete, bis er um die Straßenecke gebogen war, dann stieg sie aus dem Wagen und lief ihm, so leise sie konnte, hinterher. Am Ende der Straße spähte sie vorsichtig um die Ecke und sah John an einer Bushaltestelle stehen. Rasch zog sie sich zurück und rief mit ihrem Handy den Busfahrplan ab. Um diese Zeit fuhr nur ein einziger Bus und er müsste in fünf Minuten erscheinen. Laut Fahrplan führte seine Route aus der Stadt hinaus und an vielen beliebten Wanderplätzen vorbei. Das würde zumindest Johns Aufzug erklären.
Valerie lief wieder zu ihrem Auto und ließ den Motor an. In der gespenstischen Stille des frühen Morgens wirkte das Geräusch geradezu dröhnend laut.
Sie ließ den Wagen bis zur Kreuzung rollen und wartete auf den Bus, der zum Glück auch schon kam. Als der wieder losfuhr, schlängelte sich Valerie in den Verkehr dahinter ein. Der Bus war praktisch leer und durch das Fenster konnte sie John sehen, der bis zum Ende des Busses durchging und sich in die letzte Reihe setzte, so dass sie seinen Rücken genau erkennen konnte. Gut, so konnte sie zumindest sicher sein, dass sie dem richtigen Bus folgte. Obwohl sie das noch nie zuvor gemacht hatte, fand Valerie es recht einfach, den Bus zu beschatten, auch wenn das zugegebenermaßen an den sehr günstigen Verkehrsbedingungen um die Uhrzeit liegen mochte. Jedenfalls ging alles glatt, bis die Ampel an einer großen Kreuzung vor Valerie plötzlich auf Rot sprang. Fluchend trat sie hart auf die Bremse, während der Bus davon fuhr. Im letzten Augenblick, bevor der Bus hinter einer Kurve verschwand, drehte John sich zu ihr um.
Valerie erstarrte, als sie seinen Blick auf sich spürte. Hatte er es etwa die ganze Zeit gewusst? Nein, unmöglich. Sie musste es sich eingebildet haben.
Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern auf das Lenkrad. Es schien ewig zu dauern, bis die Ampel endlich auf Grün sprang. Sofort gab Valerie Gas und rauschte mit quietschenden Reifen davon. Es fiel ihr schwer, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten, aber Ärger mit der Polizei war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte.
Doch so sehr sie sich auch beeilte, sie konnte einfach keine Spur mehr von dem Bus entdecken. Zum Glück wusste sie ja, welche Route er ungefähr nehmen würde und sie fuhr sie auf gut Glück ab. Bald hatte sie die Stadtgrenze hinter sich gelassen und kam deutlich schneller voran. Nach ungefähr zwanzig Minuten hatte sie den Bus endlich eingeholt. Doch als sie in das große Heckfenster blickte, sank ihr das Herz. John war nicht mehr da. Und sie hatte keine Möglichkeit herauszufinden, wo genau er ausgestiegen war.
Missmutig brach sie die Verfolgung ab. Was blieb ihr auch Anderes übrig. Sie wendete und fuhr zurück in die Stadt. Immerhin tröstete sie sich damit, dass sie noch viele Samstage Zeit hatte, endlich hinter sein Geheimnis zu kommen. Valerie gähnte herzhaft. Aber wenn sie dafür jedes Mal so früh aufstehen müsste, würde sie vielleicht doch lieber abwarten, bis er es ihr freiwillig erzählte.
Als sie endlich wieder zu Hause ankam, stellte sie das Auto schnell in der Tiefgarage ab und ging in ihre Wohnung. Dort ließ sie sich müde auf ihr Bett fallen und schlief sofort ein.
Dieses Mal wachte sie ohne Wecker auf. Verschlafen schaute Valerie auf die Uhr und drehte sich auf die Seite. Sie hatte noch eine Menge Zeit, so ein fauler Tag war auch mal etwas ganz Wunderbares. Irgendwann knurrte aber schließlich ihr Magen und zwang sie aufzustehen. Sie gönnte sich eine ausgiebige heiße Dusche und machte sich dann ein leichtes Mittagessen zurecht. Anschließend begann sie mit ihrem Beauty-Programm. Während sie sich die Fingernägel lackierte, wunderte Valerie sich plötzlich, wieso sie sich überhaupt so viel Mühe gab.
Jeder möchte auf einem Jahrgangstreffen den besten Eindruck vermitteln, entschied sie schließlich. Mit John hatte das Ganze sicherlich nichts zu tun.
Als sie fertig war, warf Valerie einen prüfenden Blick in den Spiegel und lächelte. Die Mühe hatte sich wirklich gelohnt. Ihre Augen strahlten förmlich und ihre Lippen glänzten verführerisch. Sie strich sich mit den Händen über das elegante Kleid aus dunkelblauer Seide, das ihre Augen so schön betonte, und drehte sich einmal um sich selbst, wobei der
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