Seelenbrand (German Edition)
Severin strich sich stöhnend über sein Gesicht.
»Der Wortlaut ist mir zwar entfallen ...«, er schüttelte enttäuscht den Kopf, »... aber an den Inhalt kann ich mich genau erinnern.«
»Was ist denn nun mit dem Höllenfeuer?« Marie beugte sich neugierig in Severins Richtung. »Brennt es nun ... oder nicht?«
»Ich fürchte, von dieser Vorstellung mußt du dich verabschieden, meine Liebe.« Er tätschelte ihr liebevoll den Arm. »Oder siehst du hier irgendwo Flammen?«
Marie wußte nicht recht, was sie darauf antworten sollte. »Ist die Sache nicht zu ernst, um darüber einen Scherz zu machen?«
»Wenn du dich daran erinnerst«, fuhr Severin fort, »habe ich euch doch davon berichtet, daß auf dem Pergament des Alten geschrieben stand ... daß Gott selbst befohlen hatte ... eine Hölle für die abtrünnigen Engel zu schaffen. ›Bereitet eine Stätte für die Ungetreuen! Alles Licht soll diesem Ort entzogen werden!‹«
»Und das soll die Erde sein ...?« fragte Marie immer noch ungläubig nach.
»Ja, meine Liebe. Viele von den Untreuen, die zu Luzifer übergelaufen waren, begriffen erst jetzt, als sie von Gott ans Ende des Firmaments verbannt wurden ... samt ihrem Führer ... was sie getan hatten ... Aber es war zu spät! ... Die Finsternis, in der sie erwachten, hallte wider von ihrem Weinen und Schreien ... Es herrschte ein unbeschreibliches Chaos und eine grenzenlose Not unter ihnen.«
»Wie konnte Gott denn zu seinen eigenen Engeln so grausam sein?« Marie war verwirrt.
»Er hat ihnen doch nur ihren Willen gelassen«, antwortete Severin. »Sie sollten ihrem freien Willen – den er seinen Geschöpfen geschenkt hat – folgen. Sie waren nicht seine Sklaven, sondern denkende Himmelswesen ... die Gut und Böse sehr wohl unterscheiden konnten. Und sie haben sich dann eben für Luzifer ... und nicht für den Allmächtigen entschieden!«
Marie ließ nicht locker. »Aber ... hatte er denn kein Mitleid mit ihnen? Für einen Fehler ... kann man doch nicht auf alleEwigkeit in die Hölle – oder auf die Erde – verbannt werden!«
»Bravo!« Severin klopfte ihr väterlich auf den Arm. »Du hast das Prinzip – ohne es zu wissen – schon durchschaut! Und genau aus diesem Grund ... hatte der Herr ... am anderen Ende des Firmaments ... Mitleid mit seinen Geschöpfen ... von denen die meisten ja nur von Luzifer und anderen oberen Engeln ... verführt worden waren.«
»Also wurden die Engel nicht alle gleich bestraft?« Marie schöpfte wieder neue Hoffnung, daß Severins Erzählung für sie alle doch noch ein gutes Ende nahm.
»Ich staune über deine weibliche Intuition.« Er lächelte. »Die Legionen des Erzengels Michael begleiteten Luzifer ... so stand es sinngemäß dort geschrieben ... an den tiefsten und dunkelsten Ort ... der von Gott geschaffenen Hölle ... Denn er war der Verursacher all des Leids unter den Engeln ... Er hatte die sieben Himmel gespalten ... Und dieser Luzifer war außer sich vor Zorn ... Es brannte in ihm, und er wollte jeden ... der mit ihm auf die Erde geworfen worden war ... strafen und plagen ... denn sie hatten versagt ... ihm an die Macht zu helfen! Aber die Legionen des Himmels, die die Abtrünnigen in die Höllenfinsternis eskortiert hatten ... schufen im Auftrag des Allmächtigen eine Ordnung dort unten ... Diejenigen, die die anderen zur Rebellion verführt hatten ... bekamen die finstersten Plätze ganz weit unten ... und die, die ihm blindlings gefolgt waren, ohne nachzudenken ... sahen einen Lichtstrahl in ihrem Gefängnis ... der sie trösten sollte. Und nach langer, langer Zeit ... wurden diese oberen Sphären der Hölle in ein dämmriges Licht getaucht ... während es in der Tiefe stockfinster blieb.«
»Dann bekamen also die, die sich bei der Rebellion ... weniger schuldig gemacht hatten als die anderen, einen etwas helleren Platz in der Hölle?« fragte sie unüberhörbar skeptisch nach.
»Ja! Je nachdem, wie groß die Verantwortung eines Engels für die Spaltung der sieben Himmel war ... so tief war dann der Sturz in die Finsternis.« Severin nahm es ihr offensichtlich nicht übel, daß sie sich mit seiner Geschichte sehr schwertat.
»Und wie soll es weitergehen? Wir sitzen nun alle in der Hölle ... na schön ... und jetzt?« Sie sah ihn erwartungsvoll an.
»Jetzt kommt Jesus ins Spiel! ... Im Auftrag des Allmächtigen hat er uns also die Nachricht gebracht, daß wir nicht auf ewig hier unten sitzen müssen.«
»Soll das heißen ...«, sie zögerte, »...
Weitere Kostenlose Bücher