Seelenbrand (German Edition)
über den Rücken sausen ließen. Sie würde ihm verzeihen ...
»Sie müssen es mir unbedingt übergeben!« Sein Ton wurde wieder schärfer, aber seine Stimme blieb piepsig.
Dieses Grollen und Knurren, das sie vorhin wahrgenommen zu haben glaubten ... es blieb verschwunden. Hatten sie sich nun an die Wirkung dieses fremden Pulvers gewöhnt ... das wohl für das zeitweilige Flackern ihres Verstandes verantwortlich gewesen war?
»Ich weiß, daß Sie im Pfarrhaus mit Bruder Severin über dieses Pergament gesprochen haben.«
»Meinen Sie etwa die Sache ... daß der Teufel auf der Erde lebt?«
»Ich wußte, daß Sie ein intelligenter Mensch sind!«
»Aber wir haben dieses Pergament nicht!« Pierre fiel aus allen Wolken. »Der Alte ...«, er räusperte sich, » Ihr Vater soll es in seinem Sterbezimmer bei sich gehabt haben.«
»Und wo ist es Ihrer Meinung nach in diesem Augenblick?« Von Rittenberg hüllte sich in eine Qualmwolke.
»Wir haben es nicht!« fauchte Marie. »Bruder Severin durfte es nicht aus dem Zimmer entfernen!«
»Aha? Seltsam, ich dachte er wäre ein enger Freund Ihres Herrn Vaters gewesen, und da sollte man doch meinen, daß man seinem Vertrauten ...«
»Wenn Sie schon glauben, alles zu wissen«, stichelte sie, »müßte Ihnen auch bekannt sein, daß Severin meinem Vater die Letzte Ölung verweigert hat!«
»Ja, ja. Das stimmt!« Er drehte sich zu Marie um. »Daher sehen Sie, von welcher Bedeutung dieses kleine Stückchen Papier ist. Es ist nur halb so groß wie jenes, das Sie mir gebracht haben!«
»Ich dachte«, Marie zog ihre Krallen für einen Augenblick ein, »die Kirche hätte ihn dafür bestrafen wollen, daß er herausgefunden hat, daß Maria und Josef Zwillinge bekommen hatten?«
»Meine Liebe ...«, von Rittenberg klopfte die Asche seinerZigarre ab, »... wenn Sie mir zugehört hätten ... wüßten Sie, daß Ihr werter Herr Vater in diesem Punkt nichts herausgefunden hatte, was uns nicht schon lange selbst bekannt war ... Er mochte vielleicht der Illusion erlegen sein ... Dinge zu wissen, mit denen er die Kirche ... in eine schwierige Lage bringen konnte ... Aber das alles hat nichts mit dem zu tun ... worum es hier wirklich geht.« Er steckte sich das qualmende Tabakding zwischen seine Zähne. »Ihr Freund Severin hat ihm nicht im Auftrag meiner Kirche die Letzte Ölung verweigert ...«, er überlegte einen Moment, »... er hat ihm gewissermaßen als Freund ... in der Stunde des Todes ... die Gefolgschaft aufgekündigt ... und zwar, weil Ihr Vater einer Idee verfallen war ... die Ihren braven Kräuterbruder seinerzeit zutiefst schockierte.« Genüßlich blies er den Rauch aus. »Aber wie ich weiß ... denkt er heute anders darüber!«
»Mein Vater hat nichts Unrechtes getan!« schluchzte Marie, und die Tränen rannen ihr über die Wangen.
»Oh, nein!« Von Rittenberg riß flehend die Arme hoch. »Keine Tränen, bitte!« Gequält verzog er sein Gesicht und wandte sich angeekelt ab. »Ich verstehe durchaus, meine Liebe, daß Sie die Erkenntnis ... einen Priester als Vater zu haben ... mitgenommen hat, aber bitte ...«, er flehte nochmals mit den Händen, »... hören Sie auf zu weinen!«
»Warum?« schluchzte sie herzzerreißend. » Sie sind es doch, der meinen Vater schlechtmacht! Und das jetzt, wo er sich nicht mehr wehren kann!«
Von Rittenberg war ratlos. »Ja glauben Sie, daß ich da draußen diese Gebetshalle für Luzifer gebaut habe?« piepste er schließlich erregt. »Es war Ihr Vater ... ob Sie es nun hören wollen, oder nicht ... der diesen Ort der Finsternis wiederbelebt hat. Er war es, der sich die Statuen aus aller Welt hat schicken lassen, um sie hier in diesem magischen Zirkel anzuordnen, nicht ich !«
»Sie Lügner!« schluchzte sie bockig. »Alles nur gelogen! Genau wie Sie über Jesus Christus gelogen haben!«
Von Rittenberg sah entnervt zu Pierre hinüber. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas so Störrisches gesehen!«
Pierre atmete tief durch. »Sie müssen zugeben ... daß Sie uns für diese Jesusgeschichte ... bis jetzt aber auch jeden Beweis schuldig geblieben sind«, sagte er so versöhnlich, wie er konnte. »VierKinder, geschieden, wiederverheiratet und mit Siebzig gestorben ... Sie müssen zugeben, das ist schon starker Tobak!« Er hatte zwar immer noch nicht ganz verstanden, warum dieser Zwerg so erpicht darauf war, sein Wissen mit ihnen zu teilen ... aber dieser Irre nahm es offensichtlich persönlich, daß sie seinen Worten nicht so
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