Seelenbrand (German Edition)
recht glauben mochten. War es denn einzig und allein dessen Verlangen nach Anerkennung ... oder übertriebene Eitelkeit ... die seinen Gegenüber dazu verleitete, ihnen die dunkelsten Geheimnisse der Kirche zu verraten ... oder verfolgte er einen ganz anderen Plan?
»Hier!« Von Rittenberg steckte sich den qualmenden Giftstengel zwischen seine Zähne und rüttelte hektisch an einem Ring, der auf seinem Wurstfinger steckte. Nach einigem Ächzen und Stöhnen hatte er das Schmuckstück schließlich in der Hand und legte es vor sich auf den Schreibtisch. Er sah zu Marie hinüber. »Und jetzt wäre es schön, wenn Sie ganz besonders gut aufpassen würden. Sie sind ja noch schwerer zu überzeugen als dieser ... dieser ungläubige Thomas aus der Bibel!«
Er wandte sich wieder an Pierre, der ganz langsam und vorsichtig – mit spitzen Fingern – den Ring vom Schreibtisch nahm und sich danach sofort wieder hinsetzte. Von Rittenbergs Hand lag auf seiner Waffe. Er war immer noch auf der Hut. Mißtrauen ist sein Geschäft!
»Und?« Er zog aufgeregt an seiner riesigen Zigarre. »Erkennen Sie es wieder?«
»Die zwei ineinander verschlungenen Davidsterne!« hauchte Pierre.
»Ja ... das Zeichen der Geheimgesellschaft!« Von Rittenberg wollte wohl die Abkürzung nehmen ... und ihnen auf schnellstem Wege – warum auch immer – beweisen, daß er kein ehrloser Lügner war.
Der drehte sich wieder zu Marie um. »Ihr Vater war – genau wie ich und einige andere viel höher gestellte Persönlichkeiten unserer Republik – ein Mitglied dieser Vereinigung, die sich bis zum Tode Ihres werten Herrn Vaters, drüben in der Ruine von Blanchefort getroffen hat.«
»Dann waren Sie es ...«, Pierre zeigte mit seinem Finger auf ihren Gastgeber, »... der uns dort oben im Turmzimmer überrascht hat!«
»Ja«, von Rittenberg hatte sich zurückgelehnt und stieß Rauchkringel in die Luft, »und fast hätten Sie mich gehabt!«
» Sie haben Bruder Severin also auch diese schwarze Kutte vor die Tür gelegt!«
»Ich gebe zu ... ein kläglicher Versuch, der Sie auf eine andere Spur führen sollte. Ich wollte nur ein wenig Zeit gewinnen, um meine Arbeiten hier abzuschließen. Aber Sie haben sich leider nicht täuschen lassen!«
»Was war das überhaupt für eine Vereinigung?« fragte Marie dazwischen. Sie hatte sich augenscheinlich wieder beruhigt. »Ein Teufelszirkel?«
»Aber nein!« Beschwichtigend wandte sich die graue Maus ihr zu. »Nichts dergleichen!« Er nahm einen kräftigen Zug und lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. »Angefangen hat alles, als Ihr Vater bei der Renovierung der Kirche unter der Altarplatte einige Pergamente gefunden hat. Darunter auch einen Stammbaum. Der Rest war wertloser Plunder! Unsere Stellen haben alles untersucht.«
»Die gleiche Geschichte hat mir mein geliebter Herr Bischof unter die Nase gerieben, bevor er mich hierher versetzt hat!«
»Sehen Sie! Ich spreche die Wahrheit!«
»Aber über den Inhalt der Pergamente, da hat er mir nichts verraten!«
»Das konnte er auch gar nicht, Monsieur du Lac, weil er ihn selbst nicht kannte. Nach dem Auftauchen der Dokumente hielt es meine Dienststelle für angebracht, daß ich mich in Ihrem kleinen Dorf hier ein wenig umsehen sollte.«
»Was waren das denn überhaupt für Stammbäume?« Marie steckte ihr Taschentuch weg.
»Selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mir wieder nicht glauben ... stützten genau diese Stammbäume unsere geheime Hypothese ... daß sich die Frau und die Kinder Jesu Christi ... hier im Süden unseres Landes ... niedergelassen und sich einer, der damals hier existierenden, jüdischen Gemeinden angeschlossen haben. Weiter haben wir herausgefunden, daß sich im fünften Jahrhundert ... dieses von Jesus abstammende Geschlecht ... durch Heirat mit der Linie der Franken verbunden ... und damit die Dynastie der Merowinger begründet hat!«
»Für Sie stammen die Merowinger also in gewisser Weise von Jesus Christus ab?«
Pierres Skepsis blieb von Rittenberg nicht verborgen. Seufzend beugte er sich wieder über sein Notizbüchlein und begann zu blättern. »Vielleicht glauben Sie den Toten mehr als mir. Hier! Im Jahre 1166 ... so schreibt Benjamin aus Tudela ... ein Historiker seiner Zeit, daß ... ›in der Stadt Narbonne‹ ... also nur wenige hundert Kilometer entfernt von Rennes ... ›Fürsten, adelige Familien und weise Männer lebten ... aber der vornehmste aller Herrschaftlichen sei ein ... Abkömmling aus dem Hause Davids ... sein
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