Seelenbrand (German Edition)
vier! Auch der, mit dem dieser seltsame von Rittenberg eigentlich geboren worden war. Die Wand hinter ihm war leer!
»Jetzt paß bloß auf, was du sagst!« Pierre glaubte zwar nicht, daß sie ihr Mundwerk im Zaum halten konnte ... »Wir haben die Situation hier unten wohl nicht ganz richtig eingeschätzt! Es ist alles noch viel gefährlicher, als es aussieht!«
»Ich sag’ überhaupt nichts mehr!« zitternd drückte sie sich an ihn.
Hastig ging der graue Zwerg zu einer Laterne hinüber und streute irgend etwas in die Flamme. Von einem leisen Zischen begleitet stieg eine kleine Rauchwolke auf, und ein wohliger Geruch verbreitete sich. An den anderen Lampen wiederholte er dieselbe seltsame Prozedur.
»Dieses Pulver beruhigt die Nerven ... wenn man es einatmet.« Da sie ihn mit ihren Augen förmlich durchbohrten, sah er sich wohl zu dieser Erklärung genötigt. »Allerdings ...«, er kam zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich wieder, »... kann es bei Personen, die über ein sensibles Gemüt verfügen ... einige unerwünschte Nebenwirkungen haben.« Er sah sie an. »Ich hoffe, Sie spüren nichts dergleichen?« piepste er, so wie er immer piepste, seit sie ihn getroffen hatten. »Ich benutze es ständig, wenn ich hier unten sein muß!«
»Das gibt es doch gar nicht!« flüsterte Marie, die immer noch auf Pierres Schoß saß. »Sein Schatten ist plötzlich wieder da!«
»Gibt es ein Problem?« Von Rittenberg erstarrte und preßte seine Lippen aufeinander. Als keine Antwort kam, öffnete er sein kleines Büchlein und blätterte. »Ich habe dieses Pulver von einer meiner Reisen mitgebracht.«
»Können wir jetzt endlich gehen?« fragte Pierre unvermittelt.
Von Rittenberg sah sie einen Augenblick an. »Nein!« Er vertiefte sich wieder in sein Notizbuch. »Aber Sie, meine Liebe, dürfen sich wieder auf Ihre Kiste setzen ... denn ich fürchte, unsere Unterhaltung könnte noch ein wenig länger dauern!«
Pierre nickte ihr zu, und nachdem sie sich mehrfach davon überzeugt hatte, daß der Schatten hinter von Rittenberg auch dort war, wo er hingehörte, erhob sie sich langsam und schlich zu dem hölzernen Behältnis hinüber.
»Geht es Ihnen gut, meine Liebe?«
»Ja, ja!« Sie nickte eifrig.
»Sie sind so ... ungewöhnlich still!« hakte der unheimliche Zwerg nach.
Ist es dieses verdammte Pulver, das uns die Sinne vernebelt hat? Dieser Zwerg ist wirklich schwer zu durchschauen! Seine Stimme ... ja ... sie ist wieder normal ... und diese Sache mit den Schatten ... Also, wenn ich an die Wirkung des Alraunenextraktes von Severin denke ... halte ich nichts mehr für unmöglich ... Aber ich bin mir sicher, daß er nicht mit offenen Karten spielt ... Dieses Pentagramm auf dem Einband seines Buches ist ja wohl mehr als rätselhaft!
»Also?« Er legte die Waffe neben sich auf den Tisch. »Wo ist es?«
»Wo ist was?« Pierre spielte den Ball sofort zurück.
»Bitte!« Von Rittenberg verzog sein Gesicht, und sein arroganter Tonfall war unüberhörbar. »Monsieur du Lac, lassen wir doch die Spielchen!«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden!« Achselzuckend sah er zu Marie hinüber, die ebenfalls ratlos dasaß. »Wir haben Ihnen doch diese Heiratsurkunde ...«
»Wertloses Zeug!« fuhr sein Gegenüber mit dünner Stimme dazwischen. »Uns ist längst bekannt, daß er verheiratet war!«
Er beugte sich zu Pierre hinüber. »Oder glauben Sie ... es würde irgend jemand danach krähen ... wenn ich diese Urkunde morgen in der Zeitung veröffentlichte?« Er lehnte sich zurück und betrachtete nachdenklich die Decke der Krypta. »Ein paar der Gläubigen würden vielleicht aufhorchen ... aber der Rest der Herde würde monoton weitergrasen.«
Er griff nach seiner Waffe und fuhr mit den Fingern über den blanken Lauf. »Sie haben etwas ... und das ist viel gefährlicher!« Von Rittenberg zielte auf eine Lampe. »Paff!« Schließlich kniff er seine Augen zusammen und bleckte die Zähne. »Und das will ich haben! Vorher verläßt niemand diesen Raum!«
»Aber was sollte Ihre Schafe denn noch mehr in Unruhe versetzen ...als die Vorstellung ... daß der Hirte dem sie vertrauen ... sie belügt und sie hintergeht?«
Von Rittenberg schwieg eine Weile. »Wenn sie herausfinden«, hauchte er gespenstisch, »... daß es nicht der Schäfer ist, der sie hütet ... sondern der Wolf! Ihr Todfeind! Der König der Welt!«
»Rex mundi?« murmelte Pierre und sah von Rittenberg tief in seine kleinen Augen. »Sie meinen doch nicht
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