Seelenbrand (German Edition)
kleine Statue. »Ihr könnt Gott danken, daß der Bischof mich ... und nicht diesen Pater Zacharias geschickt hat.«
»Wer ist denn das?«
Pierre machte einen tiefen Atemzug. »Wir Kirchenlateiner nennen ihn ›Gladius‹, das Schwert Gottes. Er ist ein Wahnsinniger, der immer noch nicht begriffen hat, daß die Zeiten der Inquisition vorbei sind. Er hätte jeden einzelnen von euch«, und dabei deutete er auf seine imaginäre Gemeinde vor sich, »einer Teufelsaustreibung unterzogen.«
Sorgenvoll blickte er sie an.
»Und das ist kein Spaß! Glauben Sie mir!« Er deutete auf die Kuppeldecke. »Keinen Stein hätte er hier auf dem anderen gelassen. Sein Ruf eilt ihm voraus.« Nachdenklich legte er sich seine Hand ans Kinn. »Gebe Gott, daß der Bischof mit meinen Berichten zufrieden ist, und daß uns diese Heimsuchung erspart bleibt. Ein Wort über diesen okkulten Ort hier unter der Kirche gegenüber Tante Pauline oder einem anderen«, eindringlich sah er Marie an, »und wir alle werden hier die Hölle auf Erden erleben.« Er drohte ihr mit erhobenem Zeigefinger. »Ich sage Ihnen ... wenn dieser Pater nicht schon in Diensten der Kirche stünde, wüßte ich nicht, ob er auf der Seite unseres Herrn ... oder auf der des Bösen wirkt! Also ... erzählen Sie bloß niemandem ...«
»Ägyptisch!« sagte Marie beiläufig, als sie langsam von Nische zu Nische gingen. »Und die hier ist aztekisch. Sehen Sie hier unten die Zeichen«, flüsterte sie.
»Woher wissen Sie das?« Er war im Moment gar nicht so sehr an diesen Kritzeleien interessiert, die sie ihm so penetrant unter die Nase hielt.
»Wie?« Sie tat so, als hätte sie seine Frage nicht verstanden und fummelte versunken an diesem Ding herum.
»Ich wollte wissen, woher Sie diese Statuen kennen!« wiederholte er laut und deutlich. Hatte sie sich gerade etwa verplappert? Hatte sie etwas mit den seltsamen Ereignissen zu tun, diediesen Ort heimsuchten? Ausgerechnet sie? Er mochte gar nicht weiterdenken.
»Nun ... waren Sie schon mal hier?« forschte er hartnäckig.
»Nein«, kam es unschuldig zurück. »Aber ...«, sie zögerte, »ich habe Ihnen nicht alles von mir erzählt.«
Also doch! Diese Person hatte ihn also durch ihre liebliche Erscheinung tatsächlich getäuscht! Aber wie konnte eine solch hübsche Person mit dem Teufel und dem Bösen im Bunde sein? Hatte er sich denn so in ihr geirrt? Unaufhaltsam ratterten die Gedanken durch sein Hirn, während sie immer noch mit ihren Fingernägeln den Schmutz aus der aztekischen Inschrift kratzte.
»Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, daß ich meine Eltern nie kennengelernt habe. Tante Pauline hat für mich gesorgt und meine Ausbildung bezahlt.«
Sie sah ihn an und er nickte. »Ja, ja, den Teil kenn’ ich schon ... die Sache mit der Kunstschule.«
»Ja ... aber ich habe auch ... Archäologie an einer Universität studiert.«
»Was?« Er fiel fast hintenüber. Eigentlich hatte er etwas völlig anderes erwartet.
»Sehen Sie!« schimpfte sie. »Sie sind genau wie die anderen Männer!«
Er wußte absolut nicht, was sie meinte.
Wütend fuchtelte sie mit den Armen herum. »Wenn eine Frau einmal nicht das Heimchen am Herd spielt, so wie es die Kirche für sie vorgesehen hat, dann ...«
»Aber nein!« Er hob beschwichtigend die Hände und versuchte sie zu beruhigen, aber das war zwecklos, denn sie war richtig in Fahrt.
»Das hätte ich mir ja gleich denken können!« wütend fuchtelte sie mit der Figur vor seiner Nase herum. »Sie sind also auch einer von denen, die es für unziemlich halten, wenn sich eine Frau bildet.« In ihrer Rage kam sie ihm mit der Metallstatuette bedrohlich nah. Sie kochte. »Sie sind nicht besser als der Rest ... dieser Kerle!«
»Jetzt ist aber Schluß!« resolut nahm er ihr die alte Figur aus den Händen. »Nun hören Sie doch mal einen Moment auf zu schreien und hören Sie mir zu!« Er faßte sie kräftig an ihrem Oberarm, aber sie riß sich los.
»Marie, nun hören Sie doch erst mal zu!« Sein Befehlston fruchtete bei ihr überhaupt nicht, sie war immer noch außer sich. Oh Mann, diese Person war wirklich hochexplosiv. So etwas war ihm auch noch nicht untergekommen.
»Sie verstehen mich völlig falsch!« versuchte er es nun versöhnlicher. »Wieso sollte ich denn etwas dagegen haben, daß Sie eine gebildete Person sind?«
»Weil ihr Kerle es einfach nicht ertragen könnt!« schimpfte sie, während sie ihm mit ihrem Finger fast ein Loch in seine Brust drückte und ihre wilde Haarmähne
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