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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Demonstrativ sah er an sich herunter. »Sehen Sie, was aus mir statt dessen geworden ist«, fügte er verbittert hinzu. »Als ich jung war, da hatte ich so wenig mit einem Pastor gemein, wie ...«, er überlegte und mußte herzhaft lachen, »... wie dieser versoffene Schwätzer Olivier.«
    Wohlwollend musterte sie ihn von oben bis unten. »Das glaube ich Ihnen gerne, wenn ich Sie so ansehe.« Sie lachte. »Ohne Ihre Soutane sehen Sie sogar wie ein richtiger Mann aus.« Blitzschnell riß sie sich die Hand vor ihren Mund. »Oh, Gott! Ich habe hoffentlich nichts Ungebührliches gesagt, etwas, das Sie persönlich verletzt? Ich meine ...«
    Sie hielt plötzlich inne und hob den Finger. »Pssst! Hören Sie das?«
    »Ja! So etwas wie ... ein Scharren oder Schaben!« flüsterte Pierre.
    Das Geräusch wurde immer lauter und wuchs zu einem ohrenbetäubenden Poltern an, das aus dem kleinen Raum nebenan kam, in dem der Lüftungsschacht lag.
    »Was war das?« flüsterte sie ängstlich.
    Er war bereits vorsichtig mit erhobener Laterne zur Tür geschlichen und lugte in den Raum, von dem aus der Luftschacht in die Höhe führte.
    »Schöner Mist! So wie es aussieht, war das gerade unser Rückweg! Jemand hat den Balken und das Seil von oben runtergeworfen!«
    Ungläubig sahen sie in den Schacht hinauf, aber es war kein Licht oder irgend etwas anderes zu sehen.
    »Glauben Sie«, flüsterte Marie, »daß da oben jemand ist?«
    Pierre nickte. »Von allein sind die Sachen wohl kaum heruntergefallen.«
    »Oh Gott, oh Gott! Das ist alles nur meine Schuld! Wäre ich oben geblieben, wie Sie es gesagt haben, dann säßen wir hier jetzt nicht fest!«
    Tja, späte Einsicht! Da sie sich aber tatsächlich ernsthafte Vorwürfe machte, konnte er ihr in Anbetracht dieser tätigen Reue nicht sonderlich böse sein.
    »Stellen Sie sich vor«, gab er ihr statt dessen zu bedenken, »Sie wären oben gewesen, als unser unbekannter Freund den Balken in das Loch geschubst hat ...«
    Erst jetzt begriff sie. »Glauben Sie etwa ... er hätte mich mit hinuntergestoßen?« rief sie panisch.
    »Ich weiß es nicht. Aber wir wissen nicht, wer ... oder was da oben herumschleicht.«
    »Meinen Sie etwa den toten Pfarrer, oder sogar ...«, sie mochte es gar nicht aussprechen, »... den Teufel?«
    Er nickte. »Gestern hätte ich Sie noch ausgelacht, wenn Sie vom Satan gesprochen hätten ... aber heute?« Er deutete auf die Halle mit den geheimnisvollen Statuen und dem Pentagramm. »Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob wir nicht auch auf das ... Unglaubliche gefaßt sein sollten.«
    »Und was machen wir jetzt? Wir können doch nicht für immer hier unten bleiben!« jammerte sie.
    »Das ist alles, was wir noch an Petroleum haben.« Er schüttelte die Lampe. »Den Rest haben wir für die Fackeln gebraucht.«
    »Von der Halle mit den Figuren gingen doch so viele Gänge ab ... sollten wir vielleicht dort nach einem Ausgang suchen?«
    »Wir wissen aber doch nicht, wo sie hinführen, und wenn die da leer ist«, er deutete vielsagend auf die Lampe, »wird’s hier stockdunkel.« Er sah sich um. »Ich schlage vor, Sie schnappen sich Ihre Schuhe und folgen mir.«
    Er griff sich seine verschlammten, stinkenden Stiefel, klemmte sie hinter seinen Gürtel und kniete sich vor das rechteckig aus dem Fels gehauene Loch, durch das das Wasser aus dem Grab abgeflossen sein mußte.
    »Wenn das so weitergeht, stehe ich bald ohne Schuhe da. Heute morgen das erste Paar und jetzt auch noch meine Lieblingsstiefel. Ruiniert!« Er bemerkte ihr Zittern und wollte sie nur ein wenig aufmuntern. »Wir müssen da jetzt durch. Aber, haben Sie keine Angst, ich werde als erster reinkriechen, und Sie brauchen mir nur noch zu folgen.«
    Sie schwieg.
    Schon auf dem ersten Meter merkte er, wie die Nässe an den Knien durch die Hose drang, während er auf allen Vieren vorankroch und mit einem Arm die Laterne hochhielt.
    »Kommen Sie, Marie! Es wird vielleicht ein bißchen naß, aber ...«
    »Ist mir ganz egal.« Hastig kniete sie sich nieder und folgte ihm in den Kanal. »Ich tue alles, wenn ich nur nicht alleine hierbleiben muß!«
    Meter um Meter quälten sie sich voran. Abgesehen von den ekeligen Spinnweben, die sie in Massen mit ihren Haaren von der Decke des Tunnels wischten, war der Gang leer. Der Boden war von einem letzten, kleinen Rinnsal der Knochenbrühe durchnäßt.
    »Sind Sie noch da, Marie?«
    »Ja! Ich bin direkt hinter Ihnen.«
    Die Felswände schluckten jeden Schall, und die Enge der

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