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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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herumwarf.
    Diese rasende Person nahm morgens zum Frühstück wohl ein Täßchen Nitroglyzerin zu sich. Daher hielt er es für besser, sehr behutsam vorzugehen, obwohl er sich keiner Schuld bewußt war. »Erst mal ... bin ich Pfarrer und kein Kerl!« hob er an, um sie zu besänftigen.
    Ungläubig sah sie ihn von der Seite an und wartete auf das, was jetzt noch kommen würde.
    »Und außerdem hat mir dieser Olivier schon verraten, daß Sie Latein können. Ich bin also nicht halb so überrascht, wie Sie glauben.«
    Wütend verdrehte sie die Augen. »Dieser versoffene Schwätzer! Sehen Sie was ich meine?«
    Nein, sah er nicht! Aber er schien schon wieder das Falsche gesagt zu haben, denn sie nahm ganz offensichtlich Anlauf für die nächste Attacke. »Er hat aber auch gesagt, daß Sie eine sehr nette Person wären.« Oh Mann, welch armselige Verteidigungsstrategie. Gleich wird sie bestimmt vollends explodieren. Aber ...
    »So?« schnippisch zupfte sie sich in den Haaren. »Das hat er also gesagt?«
    Sie überlegte wohl, wie sie reagieren sollte, während er vorsichtig abwartete, ob die Lunte immer noch brannte, oder ob sie sich nun wieder beruhigte. Ja, kaum zu glauben, aber das Feuer war momentan unter Kontrolle ... sie schien ein wenig abzukühlen.
    Gütiger Himmel, wenn diese Frau erst mal in Rage ist ... dann rette sich wer kann! Und was ihren Verstand und ihre Bildung anging, da hatte sie ihn ganz schön getäuscht, und das war noch viel schlimmer! Hoffentlich hab’ ich mich nicht schon zum Affen gemacht. Sie weiß über die Geschichte des Ortes mehr als jeder andere und vor allem ... mehr als ich! Da kann man schon mal schnell etwas Dummes sagen ... oh, nein ... wie peinlich!
    »Wieso ausgerechnet Archäologie?« fragte er schließlich, so als wäre gar nichts geschehen.
    Überrascht sah sie ihn an. Offensichtlich hatte sie eine andere Reaktion von ihm erwartet und schon mal für eine weitere Diskussion nachgeladen. »Hm ... ja ... also, wenn Sie mich so fragen ...«
    Na, das hört sich doch schon mal nach einem Waffenstillstand an.
    »Ganz einfach! Haben Sie sich da oben mal richtig umgesehen?« Sie deutete an die Decke und versuchte ihre phantastisch wilden Haare zu bändigen. »Ich bin praktisch zwischen den unzähligen Ruinen da oben aufgewachsen. Römer, Westgoten, Templer. Alles direkt vor der Haustür.« Sie zupfte sich den Kragen ihrer weißen Bluse zurecht. »Und wenn man nicht ganz einfältig ist, dann kann es auch einer Frau passieren«, die Betonung war unüberhörbar, »daß einen diese Dinge in ihren Bann ziehen. Auch wenn die meisten Männer kein Verständnis dafür haben, wenn sich eine Frau bildet!«
    Jetzt bloß keine falsche Regung oder ein Zucken in der Augenbraue ... bei diesem Thema versteht sie offensichtlich nicht den geringsten Spaß.
    »Und die Kirche ...«, sie sah ihn durchdringend an und trat drohend an ihn heran, »... sieht uns Frauen doch auch lieber als Eheweib und Mutter am heimischen Herd. Oder?!«
    Pierre zog es vor, zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sagen. Die Frau war ein Pulverfaß, und ob die Lunte noch glühte oder nicht, das wollte er nicht ausprobieren.
    »Eigentlich war dieser Schliemann schuld«, sinnierte sie und ließ von ihm ab. »Kennen Sie ihn?«
    »Natürlich! Die Zeitungen waren doch voll davon. Er hat Troja entdeckt und ausgegraben.« Was heißt hier eigentlich ›natürlich‹? ›Kennen‹ war ja mal wieder maßlos übertrieben. Er hatte von dem Menschen gehört, mehr nicht. Das war auch schon alles!
    »Ich weiß nicht warum«, sie dachte nach, »aber irgend etwas hat mich damals gepackt, als ich seine Berichte gelesen habe.« Sie blickte ihn an. »Finden Sie das ungewöhnlich?«
    Ups! Jetzt war guter Rat teuer! Eine schlaue Antwort mußte her ... »Finden Sie es denn ungewöhnlich, daß Ihr Pfarrer eigentlich Ingenieur werden wollte?« Ja, das war schon nicht schlecht! Eine kühne Gegenfrage ... mal sehen was passiert.
    Marie wartete auf eine Erklärung, als Pierre die aztekische Figur wieder in ihre Nische stellte.
    »Irgendwie komisch!« amüsiert sah er sie an. »Aber erst jetzt fällt mir unsere Gemeinsamkeit auf.«
    »So?« Sie hörte plötzlich auf, an sich herumzuzupfen und schenkte ihm ihre volle Aufmerksamkeit.
    »Eiffel, Gustave Eiffel! Er war mein Vorbild.«
    Sie nickte. »Ah, der Eifelturm, richtig?«
    »Ja! Ich habe immer davon geträumt, eines Tages auch einmal ein solch riesiges Wunderding zu konstruieren ... oder eine Brücke, aber ...«

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