Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
Mia an, die vor ihm stand wie ein begossener Pudel und sich reichlich blöde vorkam.
Dr. Psycho schulterte seinen Rucksack und gab das Zeichen zum Aufbruch.
Nur Mia und Aleksander standen weiterhin reglos voreinander.
»Es tut mir leid«, wisperte Mia und wagte es kaum, Aleksander anzusehen. Sie kam sich so schäbig vor.
»Du hast erreicht, was du wolltest. Ich halte mich von dir in Zukunft fern«, sagte Aleksander mit brüchiger Stimme. »Ab nun bist du für deine Sicherheit selbst verantwortlich.«
Und als Mia daraufhin erstaunt aufsah, zuckte sie zusammen, erschrocken über den todtraurigen Ausdruck in seinen stahlblauen Augen.
Brüsk wandte Aleksander sich ab und schloss schnellen Schrittes zur Gruppe auf.
»Aleksander«, rief Mia verzweifelt. Doch er drehte sich nicht zu ihr um.
Eine zweite Chance
N achdenklich wankte Mia dem Trupp hinterher. Sie konnte nicht glauben, dass ihr das Gehirn einen derartigen Streich gespielt hatte. Sie neigte doch sonst nicht zu Fantastereien. Konnte es tatsächlich sein, dass sie sich alles nur zusammengereimt hatte?
Doch es schien alles so schlüssig.
Ein Detail passte ins andere.
Perfekt.
Zu perfekt?
Mühsam erkämpfte Mia sich ihren Weg. Keiner der Jugendlichen drehte sich zu ihr um oder bot ihr Hilfe an. Jeder schien mit sich selbst beschäftigt.
Felix tat, als sei sie Luft. Was sie ihm eigentlich auch nicht übel nahm. Immerhin hatte sie, obwohl er sein Interesse an ihr bekundet hatte, die meiste Zeit mit Aleksander verbracht. Zwar nicht gerade freiwillig, doch das konnte Felix ja nicht wissen.
Locker lag sein Arm um die Hüfte seiner vermutlich neuen Freundin. Augenblicklich erschienen in Mia die Bilder der Unwetternacht. Die eindeutigen Bewegungen, die mit an hundert Prozent grenzender Wahrscheinlichkeit von Felix gestammt hatten. Und obwohl niemand ihre Gedanken lesen konnte, schoss ihr die Röte ins Gesicht. Sie fühlte sich, als wäre sie bei etwas Unerlaubten ertappt worden.
Als die Welt gerade drohte, unscharf zu werden, gewährte der Campleiter eine kurze Rast.
»Pinkelpause. Fünf Minuten«, rief er und warf seinen Bergsteigerrucksack zu Boden.
Dankbar sank Mia ins Gras und klemmte ihren Kopf zwischen die Knie. Mittlerweile war sie sicher, eine Gehirnerschütterung von dem Sturz davongetragen zu haben. Das permanente Kopfweh und der penetrante Schwindel waren untrügliche Zeichen dafür.
Eigentlich sollte ich in einem schönen weichen Bett liegen, mit einem Fernseher vor mir, in dem meine Lieblingsschnulze läuft. Und was mache ich? Ich klettere durch die Berge.
Mia fasste den Entschluss, dass, sollte sie diese Bergsteigerei einigermaßen unbeschadet überleben, sie die nächsten Tage im Bett bleiben würde. Da konnte sich Psycho-Campleiter auf den Kopf stellen und sich seine Regeln sonst wohin schieben.
Jedoch war es Mia ein Rätsel, wie sie den Abstieg jemals schaffen sollte. In ihrem Kopf tobte ein Presslufthammer, nahm ihr die Luft zum Atmen und gaukelte ihr vor, in einem Karussell zu sitzen.
Mia sah auf. Sie kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, dass sich ihre Sehschärfe wenigstens wieder einigermaßen einstellen würde. Umsonst.
Schemenhaft nahm sie die Umrisse der einzelnen Jugendlichen wahr, die sich in kleinen Grüppchen am Waldrand niedergelassen hatten. Die Le Vrai Zwillinge stachen aus dem bunten Durcheinander an verflossenen Farben heraus wie zwei schwarze Raben unter einem Schwarm leuchtender Aras. Der eine saß inmitten des Pulks, während der andere im Abseits saß.
Mia musste nicht lange raten, wer welcher Zwilling war.
Schweren Herzens stand sie auf und wankte auf den Außenseiter zu. Sie brauchte Hilfe, ansonsten würde sie die restliche Wanderung nicht schaffen.
Der Campleiter schied von vornherein aus. Schon bei der Vorstellung, sie müsste die nächsten zwei Stunden an seiner Seite verbringen und dabei ständig den muffigen Geruch und den Anblick seiner aufgeblähten Nasenlöcher ertragen, musste sie würgen.
Und vom Rest der Gruppe erwies sich nicht einer als potenzielles Lasttier.
Mias Kontakt zu den Anderen war sehr beschränkt gewesen. Die Gespräche mit den Jungen und Mädchen waren sehr sporadisch und wortkarg ausgefallen.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als Aleksander zu bitten, ihr beim Abstieg behilflich zu sein. Auch wenn sie sich nach wie vor in Grund und Boden schämte, seinen Bruder als geisteskranken Mörder und ihn als eiskalten Mitwisser und Vertuscher
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