Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
auf die Idee gekommen über eine Geröllhalde zu klettern, kleines Dummerchen. Bist du etwa lebensmüde?«
Zärtlich strich er ihr eine verirrte Locke aus der Stirn.
»Ich hatte nicht vor, mich freiwillig in die Hände der mörderischen Le Vrais zu begeben«, stieß Mia hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ein Moment der Verblüffung folgte.
»Mia, ich wollte dir nie etwas tun.«
Mia merkte, wie Übelkeit in ihr hochschwappte. Verzweifelt versuchte sie, ihren Mageninhalt da zu lassen, wo er auch hingehörte.
»Aleksander, du brauchst kein Spiel mehr zu spielen. Ich habe verloren. Ich bin sozusagen schachmatt. Ihr habt gewonnen. Tut, was ihr tun müsst. Aber tut es schnell. Das ist das Einzige, worum ich euch bitte.«
Das Wenige, was sie zu sich genommen hatte, schoss als heißer Blitz ihre Speiseröhre nach oben. Würgend kam Mia zum Sitzen und erbrach sich auf die Steine, die noch vor wenigen Minuten fast zu ihrem Mörder geworden wären.
»Hölle, Tod und Teufel! Kann ich etwas für dich tun? Dir geht es scheinbar noch schlechter, als ich angenommen habe.«
Doch Mia war zu keiner Antwort mehr fähig. Der Schmerz und die Übelkeit wüteten in ihrem Körper und ließen keinen klaren Gedanken mehr zu. Sie spürte noch, wie Aleksanders Hände sie hochhoben, dann brach erneut die Nacht über sie herein.
Als Mia das nächste Mal erwachte, fühlte sie sich seltsam wohl. Sie fror nicht und sie lag ausgesprochen bequem. Über ihr eine schwarze Samtdecke, auf der Tausende kleine Lichter blitzten. Wohlig rekelte sie sich, bis ihr einfiel, dass die Decke über ihr nichts weiter war als ein atemberaubender Nachthimmel. Wie eine Lawine stürzten die Erlebnisse der letzten Stunden über sie und begruben jegliches angenehme Gefühl.
Mia wagte kaum zu atmen, geschweige denn sich zu bewegen. Hinter ihrer Stirn begann es schwer zu arbeiten.
Klar, es war Sommer. Aber so warm waren selbst die lauesten Nächte nicht, als dass sie nicht zumindest hätte frösteln müssen. Immerhin trug sie nichts weiter als Jeans und einen Pulli.
Auch die Tatsache, dass das, auf was sie lag, wohl keinen Tannennadeln übersäten Waldboden darstellte, beunruhigte sie zutiefst.
Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz. Es musste nach wie vor Aleksander sein, auf dessen Schoß sie sich da so zusammenrollte.
Einfach so tun, als schlafe ich noch immer, schoss ihr als Erstes durch den Kopf.
Naive Kuh und was soll das bringen. Irgendwann wirst du sowieso mit ihm konfrontiert. Egal ob jetzt oder später. Es bleibt sich gleich.
Der Gedanke daran, dass sie nach wie vor atmete … lebte, überzeugte sie schließlich, dass die Zeit gekommen war, mit Aleksander Klartext zu reden. Wenn er sie hätte töten wollen, hätte er dies längst erledigen können.
Falls er jedoch so sadistisch veranlagt sein sollte, dass er mit dem Umbringen wartet, bis ich es bei vollem Bewusstsein miterlebe, dann …
Mia biss sich auf die Lippen.
Nein! Er wird mich nicht umbringen.
Und nein, er ist nicht sadistisch veranlagt … na gut, ein wenig vielleicht.
Mia zuckte zusammen.
Aber nicht soviel, dass es ausreicht, um jemanden zu töten, beruhigte sie sich schnell.
Bevor sie weitergrübeln konnte und dadurch ihre Entscheidung eventuell doch ins Wanken geriet, setzte sich Mia auf.
Ein harter, pochender Schmerz fuhr durch ihren Kopf, zog sich Wirbel für Wirbel ihr Rückgrat nach unten und entlud sich in ihren Beinen. Doch Mia verkniff sich ein Aufstöhnen und drehte sich herum. Sie wollte, sie musste Aleksander in die Augen sehen, erfahren, was er zu sagen hatte. Seine Rechtfertigungen und Verteidigungen hören, um ihm danach mitzuteilen, dass sie ihn hasste, bis in alle Ewigkeit. Ihn und sein Scheusal von Bruder.
Wie ein Wurm wand sich Mia in Aleksanders Arm, bis sie ihm endlich ins Gesicht sehen konnte.
In der Rasantheit eines Kometen lösten sich Aversion und Feindseligkeit auf und entschwanden auf Nimmerwiedersehen am Horizont.
Obwohl sie in der Schwärze der Nacht nur seine Konturen sah, so war er doch zum Niederknien schön.
Zu schön, um wahr zu sein.
Doch das war nicht alles, denn Mia hatte sich noch nie sonderlich von Äußerlichkeiten blenden lassen. In Aleksanders Gesicht lag etwas Verborgenes. Geheimnisvolles.
Unheimliches.
Dunkles.
Und Mia war fest entschlossen, dies zu entschlüsseln.
Doch dazu musste Mr. Unwiderstehlich erst einmal erwachen. Sie hatte gerade die Entscheidung gefällt, ihn auf jede unangenehme
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