Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
ihn nur nachsichtig an.
»Du vielleicht nicht, Nathan. Du bist der Sohn, den sich dein Vater immer gewünscht hat. Stark. Unnachgiebig. Kalt. Mächtig. Es scheint fast so, als seist du von Anfang an auserkoren gewesen, diesen Weg zu gehen.«
Sandrine breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. Ihr langes Kleid tanzte dabei um sie herum, wie wehende Nebelschleier.
»Dies hier ist das Reich deines Vaters und das deine, Nathan. Du willst den Platz als Herrscher im Limbus. Und er steht dir zweifelsfrei zu. Du hast ihn dir verdient. Und du wirst ihn auch einnehmen, aber nicht zu diesem Preis.«
Nathans Augen wurden schmal, während die seines Vaters sich weiteten.
»Ich glaube kaum, dass du dazu berechtigt bist, in meinem Reich Bedingungen zu stellen«, brauste Satan auf. Sein langes, schwarzes Haar entwickelte eine Art von Eigendynamik und wand sich, schlängelte und tänzelte um ihn, wie eine Schlange, die nach einer unsichtbaren Flöte tanzte.
»Ich stelle keine Bedingungen oder Forderungen, ich werde euch vor vollendete Tatsachen stellen. Denn wie bereits gesagt, dies alles hier, die Hölle, der Hass den ihr lebt, das ist euere Welt. Das Reich, in dem ihr fungieren könnt, wie es euch beliebt. Doch das ist nicht der Ort, an dem ich Aleksander sehen will. Und er sich auch nicht.«
Aleksander stand reglos da, den Blick unverwandt auf seine Mutter gerichtet.
Nathan lachte höhnisch. »Und wie willst du ihn davor bewahren? Die Regeln waren klar und unmissverständlich. Der Sieger erhält die Herrschaft, der Verlierer wird zum Sklaven degradiert.«
»Zuerst werde ich das tun, was er sich von Herzen wünscht«, fuhr Sandrine fort.
»Ich werde die Kleine dort oben von ihrem Schicksal erlösen.« Der Schutzengel deutete zum Fels hinauf, auf dem Mia nach wie vor zitternd und ängstlich kauerte.
»Das wird dir nicht gelingen, Sandrine. Du bist zwar ihr Schutzengel, doch du hättest eher zur Tat schreiten müssen. Hier herrschen meine Gesetze. Die vom Himmel Gesandten sind hier machtlos. Wenn du dir durch ihre Rettung den Weg ins Himmelreich ebnen willst, so muss ich dich enttäuschen. Diese Chance ist vertan.«
»Nein, Luzifer, du verstehst mich nicht. Ich bin gekommen, um sie zu retten, auch wenn das für mich den ewigen Verzicht auf das Paradies bedeutet.«
Aleksander schüttelte verwirrt den Kopf.
»Das verstehe ich nicht. Ich dachte, wenn du sie vor Unheil bewahrst, wird dir ein Platz im Himmel zuteil.«
Sandrine strich Aleksander zärtlich über den Arm.
»Ja, du hast recht. Wenn ich sie auf der Erde davor bewahrt hätte. Doch wie dein Vater es schon richtig formulierte, von hier kann ich sie nicht einfach so mitnehmen. Dennoch habe ich eine Entscheidung getroffen, die euch allen in gewisserweise gerecht werden wird.«
Der Engel sah dem Herrscher der Unterwelt fest in die Augen. Es schien fast so, als würden sie lautlos miteinander kommunizieren.
»Nein!«, brüllte in diesem Augenblick der Teufel.
Sandrine nickte. »Doch«, flüsterte sie.
Nathan sprang ungeduldig von einem Bein aufs andere.
»Was will sie denn, Vater? Was hat sie vor?«
Luzifer drehte sich um und schritt mit gesenktem Haupt davon.
»Sag es ihm«, murmelte er im Gehen.
Nathans Körper spannte sich an. Seine Haltung verriet, wie es in ihm brodelte.
»Was!«, schrie er und rüttelte seine Mutter an den Schultern.
»Ich biete dir meine Seele im Tausch gegen die ihre.«
Nathan stieß die Luft aus.
»Ich will deine Seele nicht. Ich will die ihre!«
Sandrine begann sanft aber eindringlich auf ihren Sohn einzureden.
»Nathan, mein Kind, du kannst den Tausch nicht ablehnen. Sobald ein Lebewesen, aus freien Stücken heraus, dem Teufel seine Seele für die eines Anderen anbietet, ist der Herrscher der Unterwelt machtlos dagegen. Diese Geste ist selbstlos und wahrhaftig und somit ein Stück vom Himmel. Du kannst nichts dagegen tun.«
Sandrine legte den Kopf auf ihre Brust, sodass das lange Haar ihr Antlitz verhüllte.
»Ihre Seele ist nun frei. Sie wird an meiner statt zurück auf die Welt kehren und so lange leben, bis ihre Zeit gekommen ist. Dann entscheidet sich erneut, wo ihr Platz sein wird. Hier bei dir oder dort oben.«
Sie nickte mit dem Kopf in Richtung Felsendecke.
»Denk nach, Nathan, ich habe dich nicht um deinen Triumph gebracht. Du nimmst Aleksander dennoch jemanden, den er liebt, auch wenn er diejenige erst seit kurzem kennt. Mich, seine Mutter!«
In Nathans Augen stahl sich
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