Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
gekommen, um endlich nach all den Jahren meine Schuld zu tilgen.«
»Wieso gerade jetzt, Mutter.«
Sandrine kam näher. In ihren Augen spiegelte sich nichts als Zuneigung.
»Wenn nicht jetzt, wann dann, mein Sohn.«
»Wie stellst du dir das vor? Du meinst, du könntest hier hereinmarschieren und uns allen dein Beileid bekunden, oder wie? Egal, was du geplant hast, du bist zu spät.«
Sandrine legte verdutzt die Stirn in Falten. »Wie meinst du das, ich bin zu spät?«
Aleksander stieß verächtlich die Luft aus. »Das mein’ ich!«
Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete er auf Nathan und Mia, die auf dem Felsenberg eben dabei waren, zum Äußersten zu gehen.
Sein Mädchen, das da oben lag. Abgeschottet von der Realität. Ihr ganzes Sein und Denken, ein einziger Strudel aus vorgegaukelten Empfindungen.
Sandrine wandte den Kopf und erfasste die Situation mit einem Blick.
Laut und klar schallte ihre Stimme durch das rötliche Dunkel der Hölle.
»Nathan, mein Kind! Sieh her zu mir. Ich bin es, deine Mutter.«
Ob nun aus Schreck, Überraschung oder Entsetzen, Nathan drehte den Kopf zu seiner Mutter und unterbrach dadurch für einen kurzen Moment seinen fesselnden, betörenden Blick.
Und Mia erwachte. Erwachte aus der Trance, der von Nathan fingierten Realität, mit dem Wissen, einer Lüge aufgesessen zu sein.
Heftig stieß sie ihn von sich und schüttelte sich angewidert, ehe sie weinend ihr Shirt über den Kopf zog.
Schamhaft schlang sie ihre Hände um die Brust und zog die Knie an ihren Oberkörper.
Diese schützende Haltung rührte Aleksander zutiefst, am liebsten wäre er sofort auf den Fels geeilt und hätte sie in seine Arme gezogen. Und nur aus dem Grund, um sie zu trösten. Sie zu schützen. Sie zu lieben. Sie zu halten. Für immer.
Doch dies war nicht möglich. Zum Einen hielt ihn seine Mutter am Ärmel zurück. Zum Anderen trat just in dieser Sekunde sein Vater, Satan, dazu.
Und des Weiteren, der schwerwiegendste Grund von allen: Er wusste nicht einmal, ob sie sich von ihm trösten lassen wollte. Nach allem, was vorgefallen war, standen die Chancen dafür denkbar schlecht und Aleksander konnte es ihr noch nicht mal verübeln.
»Sandrine! Wer hätte gedacht, dass wir uns mal wiedersehen. Fast zwanzig Jahre ist es her. Welch Freude, dich hier begrüßen zu dürfen!«
Luzifers Worte wirkten schmeichelnd, väterlich, fast liebevoll. Doch hörte man genau hin, vernahm man ein leises Zischeln in seiner Stimme, wie das einer Schlange. Und war es nicht auch diejenige gewesen, die schon Eva in Versuchung geführt und damit aus dem Paradies vertrieben hatte?
Satan führte sein Umgarnen fort. Geschmeidig schob er sich näher und legte Sandrine die Hände auf die Schultern.
Er legte den Kopf schief und sah sie an.
»Die Mutter meiner Söhne. Nach all der Zeit. Doch was führt dich hierher? Ist es die Sehnsucht, die dich quält? Oder das Verlangen nach mir? Denn ich gehe wohl Recht in der Annahme, wenn ich behaupte, dass du nicht zufällig hier bist.«
Der Teufel ließ seine Hände von ihren Schultern nach unten gleiten und scharwenzelte um sie herum wie ein Hündchen auf Brautschau.
Langsam, doch mit einem gierigen Ausdruck in den Augen, fuhren seine Hände die zwei wulstigen Ränder auf ihrem Rücken nach, die sich zu wunderschönen, schneeweißen Flügeln entfalten konnten.
»Einen nicht gefallenen Engel in der Hölle begrüßen zu dürfen, dazu hatte ich auch noch nie die Gelegenheit. Was sich im Laufe der Jahrhunderte doch so alles ereignen kann«, murmelte er.
Sandrine holte tief Luft und fuhr auf dem Absatz herum.
»Ich bin gekommen, um zu tun, was getan werden muss.«
Sandrine strich sich ihr wundervolles Haar aus der Stirn. Sie stemmte die Hände in die Hüften. Ihr Gesicht war hart und unbeweglich.
»Erkläre mir deine Worte«, knurrte der Teufel voller Ungeduld und warf einen schnellen Blick zu seinem Sohn Nathan.
Dieser stand mittlerweile und schickte sich an, herabzusteigen.
»Du bist also tatsächlich meine Mutter«, stieß er verwirrt hervor, als er kurze Zeit später neben ihr stand.
Sandrine lächelte sanft. »Ja, Nathan so ist es. Und ich bin gekommen, um euch zu helfen.«
Nathan spie verächtlich auf den Boden. »Jetzt nach fast zwanzig Jahren kommst du angekrochen! Wir brauchen deine Hilfe nicht! Wir brauchten sie noch nie, Mutter!« Das letzte Wort spie er aus, so als wäre er kurz davor, daran zu ersticken.
Doch Sandrine blickte
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