Seelenfeuer
um zu wissen, dass Schwarzenberger getrunken hatte und auf Krawall aus war. »He, von der Wehr, nicht so schnell!«, rief ihm der Wachmann nach.
Johannes achtete nicht auf ihn, sondern setzte seinen Weg fort. Erst als ihn der Torwächter in der Nähe des Kirchbrunnens fast eingeholt hatte, blieb er stehen und drehte sich herum. Lieber wollte er sich von einer Meute Wölfe gehetzt wissen, als Schwarzenberger den Rücken kehren.
»Was gibt es?«, fragte er kühl.
»Da gibt es etwas, das Euch interessieren dürfte«, sagte Schwarzenberger und schnalzte mit der Zunge.
Johannes war bereits im Gehen, als Schwarzenberger weitersprach. »Ich habe Eure Blume gepflückt, als sie noch all
ihre Blütenblätter hatte. Als sie voll erblüht und erntereif war, und was soll ich Euch sagen«, Schwarzenberger machte eine kurze Pause und sah den Medicus herausfordernd an, »ich habe sie genossen. Sie schmeckte süß und saftig und die Angst in ihren Augen hat es zu einem ganz besonderen Erlebnis werden lassen …«
Mit einem hässlichen Laut traf Johannes’ Faust auf Schwarzenbergers Kinn. Der gewaltige Schlag riss seinen Kopf zur Seite und ließ ihn taumeln. Er stützte sich vornüber auf dem Brunnenrand ab, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Blitzschnell zog er mit der rechten Hand seinen Dolch aus dem Stiefelschaft und stürzte auf den Medicus zu. »Das hast du nicht umsonst getan!«, rief er drohend und ließ die scharfe Klinge durch die Luft sausen. Johannes wich zurück und griff nach einem der Holzeimer, die neben dem gemauerten Brunnen standen.
Schwarzenberger lachte höhnisch und stieß die Klinge wild und unkontrolliert in Johannes’ Richtung. Während der Wachmann keiner Rauferei aus dem Weg ging und kampferfahren war, besaß der Medicus den Vorteil, nüchtern zu sein. Schwarzenberger hieb ein paarmal mit aller Kraft auf Johannes ein und verfehlte ihn dabei immer nur knapp. Überraschend geschickt drehte er sich um die eigene Achse und fügte dem Medicus am Oberarm eine tiefe Schnittwunde zu. Der Hass, der Johannes’ Brust durchpflügte, sorgte dafür, dass er den Schmerz nicht fühlte. Während sein Leib empfindungslos blieb, fühlte er, wie die Wut in seinem Schädel kochte. Rot und heiß befahl sie seinen Händen. In Schwarzenbergers Augen blitzte die Mordlust. Johannes wusste, Schwarzenberg würde ihn töten, wenn er könnte. Er holte aus
und schwang den schweren Eimer mit aller Kraft in Richtung seines Widersachers. Schwarzenberger wich zurück, dabei stolperte er rückwärts über die Holzeimer, die in unmittelbarer Nähe zum Brunnen standen. Er glotzte dumm, als er mit den Armen rudernd versuchte, den Sturz zu verhindern.
Das laute Knacken klang hässlich und gleichzeitig befreiend. Beim Aufprall auf dem gemauerten Brunnenrand brach Schwarzenbergers Genick. Jetzt lag der Wachmann auf dem Boden und starrte Johannes aus leblosen Augen an.
Voller Abscheu schmetterte Johannes den Eimer gegen den Brunnen und eilte, ohne zurückzublicken, davon.
25
O hne auf den Weg zu achten, hastete Basilius um die neunte Stunde durch die morgendliche Kirchstraße. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, seinen Mantel überzuwerfen, und als er jetzt im Schatten der Liebfrauenkirche stehen blieb, um keuchend nach Luft zu ringen, vermisste er das schützende Kleidungsstück, denn es regnete leicht. Er stemmte die Hände in die Seiten und lief weiter, um in die Herrenstraße einzubiegen.
Dabei hätte er Grete Muntz bemerken können, die unter der Tür des Pfarrhauses stand. Sie presste ein »Gott zum Gruße!« zwischen den zusammengekniffenen Lippen hervor, wie es sich gehörte, und ärgerte sich, weil der Apotheker sie übersah. Doch ein Blick auf ihren kleinen Handkarren ließ sie das Ärgernis gleich wieder vergessen. Der Karren war mit geweihtem Salz und gesegneten Kerzen beladen. Beides verkaufte sich mittlerweile auch im Seelhaus ganz hervorragend. Die vorbeiziehenden Pilger ließen sich gern auf ein Gespräch mit ihr ein, und später befand sich beinahe in jedem Reisegepäck ein Leinensäckchen mit dem schützenden Salz. Nur die Pest erschwerte die Geschäfte. Die Menschen hatten Angst und reisten in
diesen Zeiten nicht gern. Grete wandte sich nach links, während der Apotheker in die andere Richtung weitereilte.
Als er endlich das massive Eichenportal des mehrstöckigen Antoniterspitals erreichte, schlug ihm das Herz bis zum Halse. Um Atem ringend, trat er durch das Tor, wo er zuerst auf Bruder Anselm
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