Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
Vom Netzwerk:
ihre Seelen und wurden zu einem hellen Licht, das erst wieder zum Ende der Nacht der Dunkelheit des Kerkers Platz machte.
    Grumper durchschritt die Folterkammer und fegte wie ein schwarzer Alb in die Mitte des niedrigen Raumes. Ehe er sich zu Luzia herunterbeugte, umkreiste er sie, wie es der Raubvogel mit seiner Beute tat.
    »Vielleicht ist es an der Zeit, deinen Onkel zu befragen.«
    Ettenhofer und Jost sahen sich entsetzt an, doch Grumper sprach bereits weiter.
    »Immerhin haben einige Zeugen ausgesagt, er unterhalte eine wahre Alchemistenküche in den Tiefen seiner Apotheke. Und wer weiß schon, was der Alte dort alles zusammenbraut? Zaubertränke oder Giftmischungen, mit deren Hilfe du wer weiß wen getötet hast? Glaubst du wirklich, der alte Mann überlebt es, wenn der Henker ihn aufzieht und seinen zittrigen Leib brandmarkt, ehe er ihm die Finger zerquetscht und die Beine zermalmt?«
    Luzia hob den Kopf und sah in die siegesgewissen Gesichter der Inquisition. In den Augen der beiden erkannte sie die Zufriedenheit über die abscheulichsten Worte, die sie in dieser
Kammer je gehört hatte. Sie kämpfte gegen die Übelkeit und gegen die heiße Wut in ihrem Kopf. Sie war bereit gewesen, alles zu ertragen, aber der Gedanke, dass die, die sie liebte, für sie leiden sollten, schürte einen nie gekannten Hass in ihrem Herzen. Luzia fühlte das Brodeln unter ihrer kahlen Schädeldecke. Das Blut schoss ihr wie ein rotes Meer durch die Adern, während die ersten Blitze aus den nachtschwarzen Wolken ihrer Seele zuckten.
    Grumper traute seinen Augen nicht, als sich die Hebamme Luzia Gassner von ihrem Schemel erhob. Plötzlich sah er sie wieder heil und ganz. Sie wirkte jung wie das erste Licht eines neugeborenen Tages und gleichzeitig uralt wie die Zeit selbst. Die weiblichen Rundungen ihrer aufgerichteten Gestalt schimmerten zart und rein wie Perlmutt. Das volle fuchsrote Haar floss ihr in sanften Wellen fast bis zur Hüfte. Sie wirkte wie eine machtvolle Muttergöttin aus vergangenen Zeiten. Eine Hexe! Das geheimnisvolle Glitzern in Luzias blauen Augen riss ihn unaufhaltsam in die Tiefe.
    »Was glaubst du, wer du bist, dass du derartige Drohungen aussprechen darfst?«, erhob sie ihre Stimme, die in seinem Kopf vielfach widerhallte.
    Grumper fühlte, wie sich die Hand der Hexe um seine Finger schloss. Ein unerträgliches Brennen erfasste seinen Leib. Er wollte die Hand zurückziehen, doch wie sollte das gehen, wo doch die Gassnerin nicht einmal in seiner Nähe war?
    »Ich verfluche dich für alle Zeiten und durch alle Leben bis ans Ende aller Tage! Und denk daran, dass das letzte Körnchen deines Lebenssandes schon bald durch deine schwarze Seelenuhr rinnt und dich jeder Atemzug der Hölle einen Schritt näher bringt!«

    Verstört lenkte der Kaplan seinen Blick zu Kramer, dessen Gesicht noch immer kalt und ausdruckslos wirkte. Da wusste Grumper, dass die Hexe nur ihm so erschienen war. Er unterdrückte das Zittern seiner schweißnassen Hände und stotterte eine Entschuldigung, ehe er die Tür aufriss und die Kammer verließ. Wenig später folgte ihm Heinrich Kramer.
    Luzia blieb auf ihrem Schemel sitzen. Sie hatte sich mit einer mächtigen Quelle verbunden gefühlt. Es war der Atem der großen Mutter gewesen, die den Anfang und das Ende allen Lebens und der Zeit selbst bedeutete. Ihr Geist hatte sie berührt.
    Ettenhofer und Jost rührten sich nicht vom Fleck, sondern starrten auf ihre Hände und den Tisch vor sich. Jerg Ungelehrt beschäftigte sich mit seinen Fingernägeln. Niemand sprach ein Wort.
     
    Während sich Institoris die wirren Worte seines Notars anhörte, stieg seine Ungeduld ins Unermessliche. »Bei Gott, haltet Euren Mund und reißt Euch gefälligst zusammen!«, stieß Kramer ungehalten hervor und reichte seinem Notar einen Becher Wein. Er erfasste nicht, was genau Grumper gesehen hatte, aber er wusste, dass sie nun zu einem baldigen Ende kommen mussten. Mit energischen Schritten durchschnitt Kramer die Luft in der kleinen Wachstube, die direkt neben der Folterkammer lag. Den Wachmann hatte er mit einer Handbewegung hinausgeschickt.
    »Ihr überlasst alles Weitere mir und haltet Euch zurück. Und, bei Gott, offenbart keinem diesen Schwachsinn, den Ihr mir aufgetischt habt! Ein feiger Hexenjäger ist das Letzte, was wir jetzt brauchen!«

    Grumper setzte sich an den kleinen Tisch und leerte bereits den zweiten Becher Wein, den Kramer ihm eingeschenkt hatte.
    Institoris dachte lange nach, ehe er zum

Weitere Kostenlose Bücher