Seelenfeuer
traf.
»Wo finde ich Doktor von der Wehr?«, fragte Basilius den grauhaarigen Antoniter, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte.
»Ihr könnt jetzt nicht zu ihm, er möchte unter keinen Umständen gestört werden!«, entgegnete der Mönch bissig.
»Ich habe nicht gefragt, was der Doktor möchte, sondern wo er sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufhält.«
»Ihr findet ihn im großen Saal, aber wie ich bereits sagte, möchte er nicht …«
Basilius maß dem blasierten Geschwätz Bruder Anselms keine weitere Bedeutung bei, sondern hastete den düsteren Flur entlang und klopfte an die breite Tür, die in den großen Saal führte. Ohne auf eine Antwort zu warten, betrat er den hellen Raum.
Johannes hob überrascht den Kopf. Er war im Begriff gewesen, Messer, chirurgische Nadeln und eine Rolle mit Katzendarm vor sich auf dem kleinen Tisch auszubreiten. Mit Basilius’ Besuch hatte er zu dieser Stunde nicht gerechnet.
»Jetzt haben wir Luzia endgültig verloren!«, flüsterte der alte Mann mit tränenerstickter Stimme. Er wirkte grau und alt, alle Kraft hatte ihn verlassen.
Johannes sah ihn verständnislos an.
»Ich habe es gerade erfahren. Sie soll alles gestanden haben, was die heilige Inquisition ihr vorwirft! Hier, lies selbst.«
Basilius machte den Eindruck eines gebrochenen Mannes, als er Johannes das Schreiben des Ammanns reichte.
Der überflog das offizielle Schriftstück. Wie betäubt schüttelte er den Kopf und las die Zeilen ein zweites Mal. Als er den Inhalt erfasst hatte, geriet er ins Taumeln. Seine Hände tasteten nach dem kleinen Hocker, der immer neben dem hochbeinigen Untersuchungstisch stand. Mit einem erschöpften Seufzen ließ er sich auf das knarrende Holz fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Was der Amman schrieb, konnte nur absoluter Irrsinn sein, und doch wusste er, dass es die Wahrheit war. Wie auch immer Kramer und sein Notar an dieses Geständnis gekommen waren, es spielte keine Rolle mehr! Die furchtbaren Erinnerungen vom Holzmarkt kamen ihm ungefragt in den Sinn. Das verzweifelte Weinen. All die Qual. Das Rasseln der Ketten im Feuer und die Schreie der beiden Frauen, die noch immer durch die ganze Stadt hallten. Der Wind trug ihre Stimmen durch die Gassen, und in jeder Regenpfütze glaubte Johannes dem Schein der Flammen zu begegnen.
Behutsam legte Basilius seine Hände auf den bebenden Rücken des Freundes. Für eine Weile überließ sich der Medicus ganz seinem Schmerz.
»Nein!«, schrie er dann und trat gegen das abgegriffene Holz der Untersuchungsliege. Als er den Kopf hob, wirkten seine Augen eiskalt.
»Wann?«
»Zu St. Dionys!«
»Dann bleibt uns nicht mehr viel Zeit!«, sagte Johannes und erhob sich. Ein entschlossenes Glitzern trat in seine Augen.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Basilius vorsichtig, während er Mühe hatte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
Johannes legte seinem alten Freund die Hand auf die Schulter. »Das lass meine Sorge sein. Ich muss jetzt gehen!«
Ehe sich Basilius versah, hatte Johannes den Saal bereits verlassen.
»Du willst doch nicht …«, rief ihm Basilius noch nach. Doch das hörte er schon nicht mehr.
»Warum verbrennen wir die Gassnerin nicht schon morgen?«
»Weil alles seinen rechten Gang gehen muss! Bedenkt, wir sind die päpstliche Inquisition und keine fahrenden Akrobaten, die ihr Schauspiel aufführen, wann immer ihnen danach ist.«
Heinrich Kramer war Grumpers Veränderung nicht entgangen. Seit dem letzten Tag der peinlichen Befragung machte Eusebius Grumper von Tag zu Tag einen erschöpfteren Eindruck. Seine Bewegungen wirkten zunehmend fahrig und seine Stimme hatte einen unangenehmen, schrillen Beiklang. Er sah aus, als habe er seit langem weder geschlafen noch gegessen. Fasziniert hörte der Inquisitor zu, wenn Grumper über die Gassnerin sprach, wobei seine Äußerungen zwischen mörderischem Hass und nackter Angst schwankten. Selbst ihm war noch niemals etwas Derartiges widerfahren. Fast beneidete er den Kaplan um die durchdringenden Erfahrungen, und er hatte beschlossen, sie allesamt in allen Einzelheiten in seinem Hexenhammer zu berücksichtigen.
»Hat Euch die Hexe gestern auf die Nacht wieder belästigt?«, fragte er und konnte seine Neugierde kaum bezähmen.
Grumper nickte, ehe er den Platz neben dem gemauerten Ofen in der Ecke seines Arbeitszimmers verließ und zum Fenster wanderte. Dabei rieb er sich unentwegt die Hände und hauchte zeitweilig hinein. Seit die Hexe
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