Seelenfeuer
geschickt in den Schatten.
Von ihrem Kummet befreit, machten sich die Tiere gleich über das spärliche Gras her, welches in braunen Halmen zu ihren Hufen wuchs.
Matthias half Luzia vom Wagen. Sie griff nach dem Reisekorb, in dessen Inneren sich der maunzende Nepomuk befand. Als sie den Korb öffnete, sprang ihr ein schwarzer Blitz entgegen.
»Na, da hat es aber jemand eilig!«
Luzia verstand den Kater nur zu gut. Auch ihr taten alle Glieder weh. Sie rieb sich den schmerzenden Rücken, streckte und dehnte sich wie Nepomuk nach dem Mittagsschlaf.
»Komm, setz dich hier in den Schatten. Die Rast wird dir guttun. Sieh nur!« Er wies mit dem Finger, und Luzia sah in weiter Ferne den Bodensee glitzern. Wie eine Perle lag er zu ihren Füßen. Eingebettet in dunkelgrüne Wälder und in die schneebedeckten Gipfel der Eisriesen. Luzia ließ ein letztes Mal ihren Blick schweifen, dann atmete sie tief durch und schickte in Gedanken einen letzten Gruß in die alte Heimat.
Weil sie sich danach ohne Widerworte auf das Lager setzte, wurde Matthias etwas zuversichtlicher. Er reichte ihr einen kleinen Lederschlauch, und zu seinem Erstaunen nahm Luzia
einen großen Schluck von dem köstlichen Bodenseewein. Dann noch einen und schließlich noch einen. Als sie den Weinschlauch absetzte, waren ihre Wangen bereits etwas rosiger. Auch ihre kalkweißen Lippen hatten wieder Farbe bekommen.
»Danke, das tut gut«, sagte sie und strich sich mit den Fingern durch das Haar.
»Fällt dir der Abschied von Seefelden auf einmal doch so schwer?«, fragte Matthias vorsichtig, während die Hoffnung einen zarten Keim in seine Brust pflanzte.
Luzia nickte abwesend, bevor sie einen weiteren Schluck Wein nahm.
»Möchtest du noch einmal darüber schlafen? Ich meine, es wäre ein Leichtes, umzukehren und …«, platzte es aus ihm heraus. Die letzten Worte schluckte er dann aber doch hinunter.
»Nein, es geht nicht, ich werde diesen Weg zu Ende gehen«, antwortete Luzia mit ernster Miene.
»Aber wenn es dir doch so schwerfällt!«
Luzia schüttelte den Kopf. »Morgen oder an einem anderen Tag wäre die Sache nicht anders. Letztlich muss ich die Gelegenheit wahrnehmen, denn eine weitere wird sich mir nicht bieten, und auf Dauer reicht die Arbeit in Seefelden für zwei Hebammen einfach nicht. Elisabeth war schon lange nicht mehr in den Häusern. Das Geld wurde immer knapper. Sie hätten mich niemals weggeschickt, doch sie haben es nicht verdient, heute nicht zu wissen, was sie morgen essen sollen.« Sie wandte sich ihm zu. »Aber ich freue mich, dass wir diese Reise gemeinsam machen!«
Das unerwartete Kompliment entlockte Matthias ein Lächeln
und es bestärkte ihn in seinem Vorhaben, Luzia zu fragen, ob sie …
»Zudem finde ich es reizvoll, mich auf etwas Neues einzulassen. Ich bin gespannt, was mir Ravensburg bietet.«
Seefelden war ihr also zu langweilig, schoss es ihm durch den Kopf.
»Hast du denn gar keine Angst vor der großen Stadt?«, wollte er kleinlaut wissen. Jetzt war er wieder auf der Hut.
Luzia zog die Schultern hoch.
»Nein, ich glaube nicht«, sagte sie mit einem Schulterzucken. Und obwohl ihr das Herz bis zum Halse schlug, ließ sie sich nichts anmerken.
Der schwere Bodenseewein hatte Luzia müde gemacht. Sie hätte noch ewig auf der Decke im Schatten sitzen können. Sie lehnte sich zurück und schloss halb die Augen. Bienen suchten mit dicken, gelben Beinchen auf den wilden Wiesenblumen nach Nektar. Die leichte Brise ließ die dünnen Stängel schaukeln und die bunten Blütenköpfe erzittern. Der leichte Wind trug den erdigen Duft von Baldrian und anderen späten Wiesenkräutern zu ihnen heran. Schmetterlinge in vielen bunten Farben schwebten von Blume zu Blume. Eine dicke Hummel brummte träge an ihnen vorbei.
Wenig später setzten sie ihre Fahrt fort. Die Ochsen zogen kräftig und das Gefährt nahm schnell an Fahrt auf. Kurze Zeit später erreichten sie Markdorf. Die kleine Stadt war dank ihres Weinbaus recht wohlhabend und ganz hübsch. Vollständig von Reben umgeben, lag sie am Fuße des Gehrenbergs. Auf der kleinen Anhöhe thronte die feine Sommerresidenz der Konstanzer Fürstbischöfe.
Zum Markttag drängten etliche Gefährte durch das Untertor in die quirlige Stadt und so waren sie froh, die Stadt umfahren zu können.
Matthias wollte unbedingt vermeiden, dass Luzia wieder in ihr brütendes Schweigen verfiel. Durch ihre Zugänglichkeit ermutigt, wagte er eine Frage zu stellen.
»Warum bist du eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher