Seelenfeuer
oder Einkorn geschnitten. Oft winkten ihnen die Leute, wenn sie vorbeifuhren, dann winkten sie zurück, und Luzia spürte, wie ihr das Herz wehtat. Sie schwieg und war dankbar, dass auch Matthias nichts sagte. Einzig das gleichförmige Rumpeln der Räder war zu hören. Die Wege waren trocken, staubig und furchtbar holprig. Schon nach kurzer Zeit fand Luzia alle erdenklichen Sitzpositionen so unbequem, dass ihr immer wieder ein leises Stöhnen über die Lippen kam. Jeder kleine Stein fühlte sich bald wie ein Fels an und die ausgefahrenen Spuren des Fahrwegs erweckten den Eindruck, als seien es tiefe Täler. Sie dankte Matthias im Stillen, weil er ihre Sitzfläche mit einem
Schaffell gepolstert hatte. Auf dem hölzernen Kutschbock hätte sie noch mehr gelitten.
Eine Fahrt mit dem Ochsenkarren war auch aus einem anderen Grund kein Honigschlecken, denn die Ochsen zogen die Fliegen an. Sie schlugen mit den Schweifen, um sie zu vertreiben, und dann versuchten die lästigen Störenfriede in Richtung Kutschbock ihr Glück.
Matthias, der von Zeit zu Zeit einen scheuen Blick zu Luzia warf, hätte ihr mit Freuden eine angenehmere Reise geboten. Wenigstens mit einer harmlosen Plauderei hätte er sie gern abgelenkt. Doch wollte ihm heute nichts Gescheites einfallen. Deshalb hielt er vorerst lieber den Mund. Er hatte sich für die alte Straße entschieden. Diese führte sie ab Meersburg ins Landesinnere und verlief zwischen Bermatingen und Markdorf. Auf beiden Seiten säumten lichte Mischwälder ihren Weg. Hier im Wald war es zwar angenehm kühl, aber durch die anhaltende Trockenheit der letzten Wochen schluckten sie den Staub, den die Hufe der vor ihnen gehenden Tiere aufwirbelten. Kurz vor Markdorf waren sie von einer dicken Staubschicht überzogen. Dabei waren sie gerade einmal drei Stunden unterwegs.
»Da vorne weiß ich ein schönes Plätzchen«, sagte Matthias in die Stille hinein und deutete auf eine kleine Anhöhe, wo sich eine Wegkreuzung befand. Dort gabelte sich der Weg. Links führte die Straße in das kleine Bermatingen. Der hohe Wehrturm, der schon eine Weile sichtbar war, gehörte mit zu den ältesten Türmen in der Gegend. Mächtig wachte er über die rebenumwachsene Siedlung. An der Kreuzung spendete eine große Eiche Schatten. »Ich glaube, da machen wir Rast. Dir würde ein Schluck Wein sicher guttun.«
Luzia fuhr aus ihren Gedanken auf. Erstaunt bemerkte sie, dass sie den See weit hinter sich gelassen hatten.
»Brauchen die Ochsen Wasser?«, wollte Luzia wissen. Offensichtlich hatte sie ihm nicht zugehört.
»Nein, aber du brauchst ein wenig Wein«, erwidert Matthias mit einem Lächeln.
Wahrscheinlich bemerkt sie gar nicht, wer den Karren lenkt, dachte er. Als der Meister ihm vor einigen Tagen die Begleitfahrt aufgetragen hatte, konnte Matthias sein Glück kaum fassen. So durfte er immerhin noch ein paar kostbare Stunden mit Luzia allein verbringen. In ihrer Gesellschaft hätte er ohne Murren auch eine Ladung Dung von Seefelden nach Ravensburg kutschiert. Er hatte sich bereits vorgestellt, wie er während der mehrstündigen Fahrt mit ihr lachen und plaudern würde. In seinen Träumen hatte er sie sogar gefragt, ob sie nicht als seine Frau weiterhin in Seefelden bleiben wollte. Stattdessen saß sie nun stumm wie ein Fisch neben ihm.
Gott, er könnte sich ohrfeigen! Er hätte ihr schon vor langer Zeit einen Antrag machen sollen und nicht immer nur um den heißen Brei herumreden. Vielleicht hätte Luzia abgelehnt. Aber dann hätte er einfach nicht nachgeben dürfen. Zur Hölle! Hier und jetzt löste sich seine letzte Gelegenheit in Rauch auf. Wenn er an Luzias wunderbare Rundungen dachte, spürte er ein leises Ziehen in den Lenden. Warum nur fiel ihm jetzt nichts Geistreiches oder Amüsantes ein, um sie aufzuheitern? Sollte er einfach übers Wetter reden? Oder über die Biene, die gerade vorbeibrummte, oder über, ach zum Kuckuck, was für einen maulfaulen Ochsen gab er denn heute?
Doch Luzia spürte seine Beklommenheit gar nicht. Sie kämpfte immer noch gegen den Abschiedsschmerz. Erst als
sich ein tiefes Schluchzen aus ihrer Brust löste und ihre Kehle emporstieg, merkte sie, dass ihre Wangen bereits tränennass waren.
Statt sich weiterhin Gedanken über eine möglichst einfallsreiche Unterhaltung zu machen, fasste sich Matthias schließlich ein Herz.
»Wir machen da vorn unter der Eiche eine Pause, dann kannst du dich ein wenig ausruhen!« Ohne eine Antwort abzuwarten, lenkte er die Ochsen
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