Seelenfeuer
geschickt und du sollst ihm beim Einsetzen helfen.«
»Dann wurde seine Geduld ja endlich belohnt«, entgegnete Luzia und legte die bunten Sonnwendkräuter auf die kleine Bank neben der Haustür. »Er wartet schon seit Tagen auf die Setzlinge, denn eigentlich ist die Pflanzzeit schon längst vorüber.«
Elisabeth lachte. »Wenn ich mich nicht täusche, bist auch du begierig auf die Schätze von der Reichenau«, neckte sie.
»Du weißt doch, wie gerne ich selbst einmal durch den Klostergarten des Walahfrid Strabo gehen würde.«
Elisabeth hoffte, dass Luzia einmal die Gelegenheit bekommen würde. Doch bei der Abtei handelte es sich nun einmal um ein reines Männerkonvent. Besucher waren zwar willkommen, ihnen gestattete der Abt auch, die Messe zu besuchen und die Besucherräume zu betreten. Doch der Garten blieb ihnen verschlossen.
»Na, dann geh schon und lass den Pater nicht mehr länger warten!«
Luzia nickte. »Sobald ich die Kräuter für die Sonnwendfeier versorgt habe.«
Elisabeth sah ihrer Nichte nach, als sie den bunten Strauß
ins Haus trug. Sie dankte Gott für jeden Tag, den Luzia bei ihr und ihrem Mann wohnte. Luzia war ihr wie eine Tochter. Die einzige Tochter und ihr einziges Kind. Luzia war für Jakob und sie ein Geschenk des Himmels. Wenn sie an die Zeit seit jenem heißen Tag des Erntemonats vor sechs Jahren zurückdachte, konnte sie sich nur an Gutes erinnern. Anna, ihre engherzige Schwester, hatte die damals Dreizehnjährige von Ravensburg zu ihnen nach Seefelden gebracht. Als uneheliches Kind aus einer flüchtigen Nacht geboren, war Luzia ihrer Mutter vom ersten Tag an eher eine Last als eine Freude gewesen. Anna und Luzia waren wie Feuer und Wasser, daran hatte sich bis heute nichts geändert. Anna war froh, Luzia weit weg bei ihrer Schwester zu wissen. Wenn Elisabeth nur daran dachte, wie verdreckt und geschunden das Mädchen damals bei ihnen angekommen war. Doch in ihrem Hause war sie aufgeblüht. Wie eine Blume ihr Gesicht nach der Sonne dreht und gedeiht, so war Luzia in der Wärme und Fürsorge von Elisabeth und Jakobs Haus gediehen.
Schon als sie noch in Ravensburg gelebt hatte, war Elisabeth der kleinen Luzia nahe gewesen. Fremde hielten sie oft für Mutter und Tochter. Besaßen sie doch beide jenes rote, wilde Haar, welches sich nur mühsam bändigen ließ. Ebenso blickten beide aus wachen, fast veilchenblauen Augen immer eine Spur zu neugierig in die Welt. Selbst die weiblichen Formen schien Luzia sehr viel eher von ihrer Tante zu haben als von ihrer Mutter. Beide umgab eine sinnliche Aura der Warmherzigkeit und des Mitgefühls.
Als die Glocke von St. Martin zur Vesper läutete, rannte Luzia wie der Wind durch die Fischergasse zum Kirchplatz.
Sie betrat das kleine Pfarrhaus, und Pater Wendelin erhob sich von seinem Platz am Schreibtisch.
»Luzia, wie schön, dass du so schnell kommen konntest«, sagte Wendelin freudig. »Nun lassen wir die Bücher erst einmal liegen und wenden uns Wichtigerem zu!«
Luzia nickte und folgte dem Pater durch die kleine Schreibstube.
»Hier habe ich Euch noch ein wenig von der Calendulasalbe mitgebracht«, sagte sie und stellte das irdene Gefäß neben die anderen Behältnisse in das Regal neben dem Vorratsschrank. Hier verwahrte der Pater neben Weißdornwein und Spitzwegerichsirup noch weitere Schätze, die seiner Gesundheit dienten. »Legt sie zur Nacht als Salbenverband um Eure Unterschenkel, dann fällt Euch das Gehen bald wieder leichter.«
Wendelin nickte anerkennend. »Genau so werde ich verfahren. Danke, mein Kind. Gott schütze dich.«
Luzia machte einen Knicks und bedankte sich für den Segen.
»Möchtest du dich vielleicht setzen und einen Schluck Bier oder zur Feier des Tages einen Schoppen Wein mit mir trinken?«
Luzia lehnte sein Angebot ab, wusste sie doch, dass er nur höflich sein wollte. Später würde noch genügend Zeit bleiben, ein wenig beisammenzusitzen.
»Lasst uns lieber sehen, was Euch die Brüder geschickt haben. Ich merke doch, dass es Euch unter den Nägeln brennt und Ihr es kaum erwartet, bis die grüne Pracht sicher und wohl in der Erde sitzt.«
Wendelin nickte zustimmend und rollte die Ärmel seiner
Soutane zurück. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine vollen Lippen. »Zielstrebig und wissbegierig wie immer! So gefällt es mir. Gott hat seine Freude an den Menschen, aber allen voran an jenen, die mit Freude bei der Arbeit sind.« Mit beiden Händen schob er die junge Frau in den kühlen
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