Seelenfeuer
Wassers und dachten an all das, was sie hatten zurücklassen müssen.
Paulina begann lautlos zu weinen, und Pindar legte ihr scheu den Arm um die Schultern. Andreas suchte Selenes Hand. Das Bild des brennenden Domus würde sie immer begleiten.
Hinter ihnen färbte sich der Himmel, schon fiel das erste Licht des neuen Tages auf das Wasser.
»Wir dürfen den Mut nicht sinken lassen«, sagte Selene. »Wir müssen dankbar sein, daß wir mit dem Leben davongekommen und daß wir zusammen sind. Wir werden an einen Ort reisen, wo Agrippina uns nicht finden kann. Wir werden uns ein neues Zuhause schaffen und einen neuen Anfang machen.« Ihre Stimme wurde brüchig. »Wir werden einen Ort finden, wo unsere Kinder in Frieden und ohne Furcht aufwachsen können.«
Sie holte tief Atem. »Wir bauen ein neues Haus zur Heilung und Pflege der Kranken, das alle Prüfungen der Zeit überdauern wird. Denn dazu sind wir bestimmt.«
An Andreas gelehnt blickte sie in die Ferne und erkannte, daß dies nur einer von vielen Neuanfängen war, die ihr bisheriges Leben bestimmt hatten. Ich war Fortuna von Magna, dachte sie, Glücksbringerin; ich war Umma, die Mutter, Peregrina, die Fremde; Kleopatra Selene, Nachkommin einer Königin: und Julia Selena, Tochter der Götter. Aber am Ende bin ich die, die ich von Anfang an war – Selene, die Heilerin.
So sehr der Untergang des Domus sie schmerzte, sie wußte, daß ihr Traum nicht mit ihm untergegangen war. Sie hatte das Ende ihrer langen Irrfahrt erreicht und gefunden, was sie gesucht hatte: ihre Wurzeln und ihre Bestimmung.
Umgeben von den Menschen, die sie liebte, stand sie an Deck und sah, wie mit dem Heraufziehen des neuen Tages die Venus langsam verblaßte.
Bemerkung der Autorin
Die Antike kannte das Wort ›Krankenhaus‹ nicht. Die erste derartige Einrichtung wurde im Jahr 394 in Rom von der christlichen Wohltäterin Fabiola gegründet. Heute steht auf der Tiberinsel, auf dem Fundament des alten Äskulaptempels, ein modernes Krankenhaus, das von einem religiösen Männerorden betrieben wird.
Kaiser Claudius erließ in der Tat ein Gesetz, demzufolge Sklaven, die auf die Insel flohen oder dort ausgesetzt wurden, freigelassen werden mußten. Nach seiner Frau Agrippina, die später von ihrem Sohn Nero ermordet wurde, wurde das heutige Köln Colonia Agrippinensis genannt.
Es gibt mehrere Theorien zur Erklärung des Geburtenrückgangs in der römischen Oberschicht während der Kaiserzeit, der als eine der späteren Ursachen für den Untergang des Römischen Reiches angesehen wird. Moderne Historiker sind der Auffassung, daß die Mitglieder der römischen Oberschicht an Bleivergiftung gelitten haben könnten; sie nahmen das Blei aus dem Wasser auf, das in Bleirohren befördert wurde, aus Bechern und Kochgeschirr, die aus bleihaltigen Materialien hergestellt waren, aus bleihaltigen Kosmetika und aus dem Wein, der in Töpfen gekocht wurde, die mit Blei ausgekleidet waren. In der Unterschicht kannte man solchen Luxus nicht; man kochte in bleifreien Tongefäßen, und aus solchen Gefäßen wurde auch gegessen und getrunken.
Chronische Bleivergiftung verursacht bei Männern Sterilität, bei Frauen Fehlgeburten und Totgeburten.
Die in diesem Buch erwähnten Volksheilmittel sind alten Quellen entnommen; für ihre Wirkung gibt es uns heute einleuchtende Erklärungen:
Das Auflegen von grünen Blättern auf offene Wunden verhindert Wundbrand, da das in den Blättern enthaltene Chlorophyll den verursachenden Bakterien entgegenwirkt.
Die Anwendung von Schafwolle bei Hautkrankheiten ist ein sehr altes Verfahren; Schafwolle enthält Lanolin, das heute in den meisten Handcremes enthalten ist.
Grüner Schimmel ist ein jahrhundertealtes Vorbeugungsmittel gegen Entzündungen; der Schimmel, wie man ihn auf Brot findet und wie er bei der Käseherstellung verwendet wird, enthält die Bakterie Penicillium.
Der Trank der Hekate wird heute noch verwendet. Er wird aus Weidenrinde hergestellt, die Salicylsäure enthält, bekannter unter dem Namen Aspirin.
Impressum
Die amerikanische Originalausgabe
erschien unter dem Titel ›Soulflame‹
bei Random House, New York 1986
© by Barbara Wood 1986
Für die deutsche Ausgabe:
© S. Fischer GmbH, Frankfurt am Main 1989
Digitalisierung: pagina GmbH, Tübingen
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