Seelenfinder
ziemlich hässlich aus, wie sie da so völlig unbekleidet auf dem Bett saß und in den Telefonhörer sprach. Die Locken in ihrem Nacken schienen sich förmlich zu sträuben, während sie angestrengt, die gutturalen schnarrenden Laute he r vorbrachte. Ihr ganzes Gesicht war in Bewegung, während sie sprach. Ja, sie war wirklich eine ausgezeichnete Schauspielerin.
„Warten Sie einen Augenblick“, sagte die Stimme am Telefon. „Bei mir ist jemand an der Tür. Vielleicht ist es Pieter. Ja, jetzt höre ich es. Er ist es. Also, Herr Dornbusch, entschuldigen Sie die Störung.“
Nebenan legte Sarah den Hörer zurück.
Dornbusch trat vor und drückte auf den ersten Knopf. Das Bild glitt an seinen alten Platz zurück.
„Ich verstehe das nicht“, sagte Dornbusch.
Fredy Kaufmann sah ihn an. „Das sollte ihm den Strick drehen, begreifen Sie denn das nicht?“
„Wem sollte das den Strick drehen?“
Kaufmann fasste sich hastig an die verwundete Schulter und schwieg eine Weile, dann sagte er: „Sie haben eine ziemlich lange Leitung. Pieter natü r lich. Wem denn sonst? Kapieren Sie das denn nicht? Sie dachte, sie hätte mich heute Nachmittag erledigt. Na ja, hätte auch nicht mehr viel gefehlt. Aber es hat eben doch nicht ganz geklappt. Sie hätten nicht gleich fortlaufen dürfen, sich vergewissern, ob ich wirklich tot bin.“
Dornbusch schüttelte den Kopf. Seine Knie wurden weich. Er verstand nichts mehr.
„Warum hat sie Pieter angerufen? “, fragte er.
„Hat sie ja gar nicht. Der Anruf galt doch in Wirklichkeit Ihnen.“
„Mir?“
„Ist sie im Badezimmer gewesen?“
„Ja, ihr war es schlecht.“
„Ihr Übelsein war nur gespielt. Jeder Raum in diesem Haus hat Telefona n schluss. Haben Sie das noch nicht mitgekriegt? Während sie im Badezi m mer war, hat sie mit Pieter gesprochen, der unten in der Bibliothek war.“
„Aber warum?“
„Sie hatte ihren Plan. Sie hat Pieter unter meinem Namen angerufen, hat meine Stimme nachgeahmt. Sie sagte ihm, er solle zu ihm nach Hause kommen. Meine Wohnung liegt ja von hier nur ein paar Straßen entfernt. Er ließ also seine Gäste allein und machte sich auf den Weg. Er fuhr mit dem Lift zu meinem Appartement hinauf, klingelte an meiner Tür. Niemand meldete sich. Er wartete, klingelte noch einmal. Die Reinigungsfrauen k a men und begannen den Korridor zu wischen. Eine von den Frauen erinnert sich jetzt bestimmt genau, dass Pieter bei mir vor der Tür stand. Sie wusste natürlich nicht, dass Pieter gar nicht bei mir drinnen war. Was sie weiß, das ist nur, das s Pieter kam und wieder ging. Aber das genügt ja vollauf. Ja so ist das. Und dass der gute Fredy noch bis dahin gelebt hat, das hätten Sie ja bezeugen können, wenn nicht eine Kleinigkeit schief gelaufen wäre, nicht wahr? Schließlich haben Sie ja gerade noch mit ihm telefoniert, ehe Pieter bei ihm ankam.
Wäre das nicht ein perfektes Alibi gewesen, das sie sich da ausgeknobelt hat? Ganz harmlos liegt das arme Kind nebenan im Bett, weil sie zu viel getrunken hat. Sie ist eine erstklassige Schauspielerin, denn ist verdammt schwer, so die Betrunkene zu spielen, dass es wirklich echt wirkt.“
„Warum das alles? Sie hat alles, ist schön, berühmt und reich.“
„Sie ist krank. Wir alle sind krank. Die ganze verfluchte Welt ist krank. Sie haben sie schon in ihren Filmen gesehen. Sie selbst weiß, wie jämmerlich diese Streifen sind. Aber sie hat einen Vertrag über sieben Jahre. Und sehen Sie, sie ist fünfund dreißig. In sieben Jahren ist sie zweiundvierzig. Das wird es noch schwerer, an ein gutes Drehbuch heranzukommen. Und dann hatten wir die Möglichkeit, dieses Kornhagen -Skript zu kaufen. Das war ihre Chance. Kein ungewöhnlicher Vorgang in der Künstlerszene. Es wird hä u fig so gemacht. So wurde sie Mitbesitzerin des Werkes, und wenn irgende i ne Gesellschaft es nun verfilmen wollte, dann musste sie schon damit ei n verstanden sein, dass ihre Bedingung, die Hauptrolle zu erhalten, erfüllt werden würde. Es war für sie die einzige Möglichkeit, einmal eine anständ i ge Rolle zu bekommen. So investierte sie also ihr Geld. Sie kratzte buc h stäblich jeden Cent zusammen, um die zweihunderttausend Euro zusa m menzubringen.“
„Sie zahlte zweihunderttausend Euro? Ich dachte, sie hätte nur siebzig ta u send zahlen müssen.“
„Nein, sie zahlte die volle Summe. Pieter und ich hatten die Sache zu m a nagen.“
„Da habt ihr ja ein feines Geschäft gemacht.“
Kaufmann ignorierte die
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