Seelengesaenge
unmöglich für uns, ihn zu verfolgen!«
»Aye, Lady, dieses Problem lastet schwer auf meinem Herzen, auch wenn es ein geborgtes sein mag. Es engt meine Brust ein wie ein Feuer. So nah gewesen zu sein, und dann die Fährte zu verlieren.«
»Vielleicht haben wir die Fährte gar nicht verloren«, sagte Louise. Ihre Gedanken rasten so schnell, daß es weh tat.
»Wie das, Lady Louise?«
»Er hat gesagt, daß er zur Erde will. Um jemandem zu schaden … Banneth. Er will Banneth vernichten.«
»Dann müssen wir diesen Banneth warnen, Lady Louise. Dieser Dexter wird schreckliche Schandtaten begehen, um seine finsteren Ziele zu erreichen. Ich werde niemals vergessen, was er zu der kleinen Lady gesagt hat. Schon der Gedanke ist schmutzig. Nur in seinem Kopf können solche Ideen reifen.«
»Nun, wir fliegen sowieso zum Mars. Ich schätze, von dort aus gehen mehr Schiffe zur Erde als nach Tranquility. Aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie Sie Banneth finden wollen, wenn Sie auf der Erde angekommen sind.«
»Jede Reise ist in Etappen unterteilt, Lady Louise. Es ist besser, man beendet eine nach der anderen.«
Sie beobachtete ihn eine Weile, während das blasse Licht des Holoschirms über sein gedankenverlorenes Gesicht glitt. »Warum haben Sie eigentlich damals gemeutert, Fletcher?« fragte sie schließlich. »Waren die Zustände auf der Bounty denn wirklich so schlimm?«
Er blickte sie überrascht an, dann lächelte er langsam. »Nicht die Zustände, Lady, obwohl ich bezweifle, daß sie Euch zugesagt hätten. Es war ein einzelner Mann, mein Kapitän. Er war es, die treibende Kraft, die mich mein Schicksal in die Waagschale werfen ließ. William Bligh und ich waren Freunde, als die Reise begann, obwohl es mir heute merkwürdig genug erscheint, mich an diese Tatsache zu erinnern. Aber … die See hat ihn verändert. Er war verbittert, weil er in seinem Leben nicht vorankam, und er war besessen von seinen Vorstellungen, wie ein Schiff geführt werden sollte. Niemals zuvor habe ich derartige Barbarei bei einem Mann gesehen, der vorgibt zivilisiert zu sein, noch jemals eine Behandlung wie die von seiner Hand erdulden müssen. Ich will Euch die qualvollen Einzelheiten ersparen, meine verehrte Lady Louise, aber laßt mich sagen, daß jeder Mann einen Punkt hat, an dem er zu zerbrechen droht. Und meiner wurde im Verlauf dieser langen, schrecklichen Reise überschritten. Ich schäme mich meiner Handlungen nicht. Viele gute und ehrliche Männer wurden von seiner Tyrannei befreit.«
»Dann waren Sie also im Recht?«
»Ich bin noch immer fest davon überzeugt, Lady Louise. Ja. Wenn man mich heute vor ein Seegericht stellen würde, könnte ich Rechenschaft über alles ablegen, was ich getan habe.«
»Und jetzt wollen Sie wieder etwas Ähnliches tun, Fletcher?« fragte Louise. »Die Menschen befreien, meine ich.«
»Ja, Lady Louise«, sagte er. »Obwohl ich lieber tausend Reisen mit William Bligh als meinem Herrn ertragen würde als auch nur eine einzige mit Quinn Dexter. Ich habe immer geglaubt, William Bligh sei ein Meister der Grausamkeit. Jetzt sehe ich, wie sehr ich mich geirrt habe. Jetzt habe ich zu meinem Entsetzen das wirklich Böse gesehen. Ich werde niemals wieder vergessen, in welcher Form es dahergekommen ist.«
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10. Kapitel
Die Reporter hatten mehrere Tage im Gefängnis verbracht, ein Wort, das ihre Wächter von der Organisation tunlichst vermieden hatten. Sie bevorzugten den Begriff Hausarrest oder Ausgangssperre oder einfach nur Schutzhaft. Die Nachrichtenleute waren ausgesondert worden und verschont geblieben, als die Besessenen sich durch ganz San Angeles ausbreiteten, und schließlich zusammen mit ihren Familien in den Uorestone Tower gebracht worden. Patricia Mangano hatte die Aufsicht über die Gefangenen. Sie gestattete den Kindern, in den opulenten Lounges zu spielen, während sich die Eltern ungezwungen in Gruppen versammeln und ungehindert über die gegenwärtigen Umstände und aufgewärmte alte Geschichten reden durften, wie nur Reporter zu reden vermochten.
Fünfmal im Verlauf der letzten beiden Tage waren kleine Gruppen abgeholt worden, um eine Tour durch die Stadt zu machen und die stetigen Veränderungen an den Bauwerken zu beobachten, untrügliches Kennzeichen für ein Land, in dem die Besessenen herrschten. Einst vertraute Straßen hatten sich über Nacht vollkommen verändert. Es war wie ein dunkler Efeu, der sich unaufhaltsam einen Weg nach oben suchte und dabei Glas in Stein
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