Seelengesaenge
sei Dank!«
Die vertraute Stimme ließ sie zusammenzucken, eine Bewegung, die im freien Fall mehr ein Kräuseln war, das von den Zehenspitzen bis zum Scheitel lief. Sie packte einen der Haltegriffe und hielt sich daran fest.
Mit den Füßen voran glitt Garfield Lunde in ihr Gesichtsfeld. Er war ihr direkter Vorgesetzter und zugleich derjenige, der ihren Auftrag autorisiert hatte. Ein gewagtes Spiel, wie er damals gesagt hatte, diese Art von Feldarbeit wäre kaum ihre Stärke. Womit er sie noch tiefer in seine Schuld gebracht hatte; alles, was er je für seine Leute tat, war ein großer Gefallen, etwas, das gegen Regeln verstieß. Er verdankte seine Position allein der meisterhaften Beherrschung der politischen Spielchen im Büro. Sens-O-Vis-Talent und investigativer Journalismus hatten niemals damit zu tun gehabt.
»Hallo Garfield«, sagte sie matt.
»Du bist tatsächlich zurückgekommen! Schicker Haarschnitt übrigens.«
Kelly hatte ihr Haar fast vergessen, gestutzt bis auf wenige Millimeter, damit es unter den Schalenhelm ihres Kampfanzugs paßte. Mode, Geschmack, kosmetische Feinheiten – das waren Dinge, die sich scheinbar sang- und klanglos aus Kellys Universum verabschiedet hatten. »Gut beobachtet, Garfield. Ich verstehe jetzt, wie es kommt, daß deine journalistische Begabung dich direkt auf den Chefsessel befördern konnte.«
Er wackelte mit dem Finger und hätte fast seinen Pferdeschwanz erwischt, der sich um seinen Nacken schlängelte. »Du bist eine zähe Frau, Kelly. Scheint, als hättest du bei diesem Auftrag deine Jungfräulichkeit verloren, wie? Ein paar Leichen gesehen und dich gefragt, ob du nicht lieber helfen anstatt aufzeichnen sollst? Mach dir nichts daraus, Kelly, das geht uns allen so, früher oder später.«
»Sicher.«
»Kommt sonst noch jemand zurück? Andere Raumschiffe?«
»Wenn sie bis jetzt nicht eingetroffen sind, dann kommen sie auch nicht mehr.«
»Mein Gott, das wird ja jede Sekunde besser! Wir haben die totale Exklusivstory! Warst du unten auf der Oberfläche?«
»Ja.«
»Und? Ist die Bevölkerung besessen?«
»Ja.«
»Wunderbar!« Er warf einen zufriedenen Blick in die Runde und beobachtete Kinder und Edeniten im freien Fall. Ihre Bewegungen erinnerten an alternde Ballerinen. »Hey, wo sind die Söldner, mit denen du losgezogen bist?«
»Sie haben es nicht geschafft, Garfield. Sie haben sich geopfert, damit das Raumflugzeug der Lady Macbeth die Kinder retten konnte.«
»O mein Gott! Wow! Sie haben sich tatsächlich für Kinder geopfert?«
»Ja. Wir waren hoffnungslos unterlegen, aber sie haben uns die Flucht ermöglicht. Alle, ohne Ausnahme. Ich hätte nie gedacht …«
»Erstaunlich! Wirklich erstaunlich! Um Himmels willen, Kelly, sag mir nur, daß du alles aufgezeichnet hast! Den großen Kampf, das letzte ehrenvolle Gefecht?«
»Hab’ ich. Wenn ich konnte. Wenn ich nicht soviel Schiß hatte, daß ich nicht mehr geradeaus denken konnte.«
»Phantastisch! Ich wußte, es war die richtige Entscheidung, dich zu schicken! Das ist es, Baby! Du wirst sehen, unsere Zuschauerzahlen schießen in galaktische Höhen! Wir werden Time Universe und die anderen Agenturen aus dem Geschäft werfen! Weißt du eigentlich, was du geschafft hast, Kelly? Wahrscheinlich wirst du am Ende noch mein Boß, nach dieser Geschichte! Einfach wunderbar!«
Sehr ruhig aktivierte Kelly das Nanonik-Programm für unbewaffneten Kampf in Schwerelosigkeit, das Ariadne ihr gegeben hatte. Ihr Gleichgewichtssinn verbesserte sich augenblicklich, und sie wurde sich jeder winzigen Bewegung bewußt, die ihr Körper in den unmerklichen Luftströmungen im Innern der Kammer vollführte. Ihr räumliches Orientierungsvermögen wurde ähnlich verstärkt, und Entfernungen sowie relative Positionen waren vollkommen offensichtlich.
»Wunderbar?« zischte sie.
Garfield grinste stolz. »Darauf kannst du wetten, Kelly!«
Sie drückte sich ab und rotierte in der Luft um ihren eigenen Schwerpunkt. Ihre Füße schwangen herum, suchten nach seinem Kopf, und ihre Beine traten aus.
Zwei Serjeants waren nötig, um sie von ihm zu lösen. Glücklicherweise hatte das Ärzteteam ein paar nanonische Medipacks dabei. Sie konnten Garfields Auge retten, doch es würden einige Wochen vergehen, bis seine zerschmetterte Nase wieder die alte Form besaß.
Sämtliche Passagiere hatten die Lady Macbeth verlassen. Die überlasteten Lebenserhaltungssysteme beruhigten sich allmählich wieder. Durch die Versorgungsschläuche der
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