Seelengesaenge
Andockbucht wurde frische Luft an Bord gepumpt und der Gestank der Heimreise abgesaugt, der Geruch nach menschlichen Körpern, Feuchtigkeit und viel zu viel Kohlendioxid. Joshua meinte zu hören, daß selbst die Propeller hinter den Lüftungsschlitzen nicht mehr so stark arbeiteten. Aber das war vielleicht auch nur seine Einbildung.
Nur die Besatzung war an Bord geblieben und atmete in tiefen Zügen die köstliche frische Luft. Die gesamte Besatzung – bis auf einen. Während des Fluges hatte Joshua nicht viel Zeit gefunden, um wegen Warlow zu trauern. Die Manöver zwischen den Sprungkoordinaten, die Sorge, ob die Energiemusterzellen durchhalten würden, die zahllosen Lecks, die beschädigten Systeme, die Kinder, für die er plötzlich die Verantwortung trug, das verzweifelte Bemühen, heil anzukommen.
Nun, jetzt hatte er gewonnen, hatte sich gegen alle Widrigkeiten behauptet, die das Universum ihm entgegengeworfen hatte. Und es war ein gutes Gefühl, obwohl es nicht von Freude begleitet wurde. Zufriedenheit mit sich selbst ist ein eigenartiger Zustand, dachte er, ungefähr so wie das Nirwana, auf das der Schlaf folgt.
Ashly Hanson kam durch die Luke herein und warf einen raschen Blick auf die lethargischen Gestalten, die noch immer unter den Netzen ihrer Beschleunigungsliegen ruhten. »Die Reise ist vorbei, wißt ihr?« sagte er.
»Ja.« Joshua erteilte dem Bordrechner einen Datavis-Befehl. Die magischen Diagramme der wichtigsten Schiffssysteme verschwanden vor seinem geistigen Auge, und das Netz seiner Liege rollte sich auf.
»Ich denke, das Saubermachen kann bis morgen warten«, sagte Dahybi.
»Botschaft angekommen«, erwiderte Joshua. »Ihr habt Landgang, und das ist ein Befehl.«
Sarha schwebte von ihrer Liege herbei und gab Joshua einen winzigen Kuß. »Du warst wunderbar. Wenn das hier alles vorbei ist, kehren wir nach Aethra zurück und erzählen ihm, daß wir es geschafft haben und die Kinder in Sicherheit sind.«
»Wenn er dort ist.«
»Er wird dort sein. Du weißt, daß er dort ist.«
»Sie hat recht, Joshua«, sagte Melvyn Ducharme und beendete die neurographische Visualisierung der Energiekreisläufe des Schiffes. »Er ist dort. Und selbst wenn der Transfer nicht funktioniert haben sollte, beobachtet uns seine Seele jetzt in diesem Augenblick.«
»Mein Gott!« Joshua erschauerte. »Ich will gar nicht daran denken!«
»Aber es gibt nun einmal keinen Zweifel mehr an dieser Tatsache.«
»Darüber können wir uns auch morgen den Kopf zerbrechen«, warf Ashly mit schwerer Stimme ein. Er streckte Sarha einen Arm entgegen. »Komm, wir lassen diese morbide Bande allein. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich nehme zuerst einen verdammt steifen Drink in Harkey’s Bar, und dann lege ich mich eine ganze Woche ins Bett.«
»Klingt gut.« Sie löste ihre Schuhe vom StikPad neben Joshuas Liege und folgte dem alten Zeitspringer durch die Luke nach draußen.
Ein unsicherer, verblüffter Ausdruck erschien auf Joshuas Gesicht, als die beiden zusammen von Bord gingen. Das geht dich nichts an, sagte er sich. Außerdem war da schließlich noch Kelly, obwohl er sie seit ihrer Rückkehr von Lalonde nicht mehr wiedererkannte. Und dann Louise. Und Ione.
»Ich schätze, ich lasse den Drink lieber aus und verziehe mich direkt ins Bett«, verkündete er den beiden anderen.
Einer nach dem anderen verließen sie die Brücke. Als sie an der Luftschleuse angekommen waren, kam ihnen die Wartungsspezialistin entgegen. Sie benötigte die Genehmigung des Kommandanten, um auf die Logbücher zuzugreifen und einen Reparaturplan zu erstellen. Joshua blieb bei ihr, um über die dringendsten Reparaturen zu sprechen und ihr per Datavis die Daten über die Systeme zu übermitteln, die im Orbit von Lalonde Schaden genommen hatten.
Niemand war mehr in der Nähe, als er die Lady Macbeth schließlich verließ. Der Zirkus in der großen Kammer war vorüber. Die Reporter hatten eingepackt. Nicht einmal ein Serjeant war zurückgeblieben, um ihn auf Possession zu überprüfen. Schlampige Arbeit, dachte er. Das sieht Tranquility überhaupt nicht ähnlich.
Ein Lift brachte ihn die Spindel hinab, die die Scheibe des Raumhafens mit der nördlichen Abschlußkappe des Habitats verband. Er entließ ihn in einer der zehn Vakstationen, die es hier oben in der Nabe gab. Die Station lag leer und verlassen, bis auf eine einzige Gestalt.
Ione stand vor dem wartenden Waggon. Sie war in einen meerblauen Sarong und eine dazu passende Bluse
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