Seelengesaenge
nicht?«
»Was ist denn das für eine verdammte Frage, Al? Selbstverständlich bin ich loyal! Aber ich glaube trotzdem nicht, daß du das von mir verlangen kannst! Das geht einfach nicht!« Er wirbelte herum, als er das leise Geräusch einer Thompson hörte, die gerade entsichert wurde.
Luigi Baismao hielt die Waffe in den Armen, und auf seinem plumpen Gesicht stand ein freundliches Grinsen.
»Ich bitte dich als loyales Mitglied der Organisation darum, mir Kingsley Pryor zurückzugeben. Ich bitte dich höflich.«
»Nein. Das kommt verdammt noch mal überhaupt nicht in Frage, Mann!«
Die Narben auf Capones dunkel angelaufenem Gesicht leuchteten inzwischen fast weiß. »Weil du loyal gewesen bist, lasse ich dir die Wahl. Wir werden jeden verdammten rückständigen Planeten dort draußen befreien, und du kriegst Millionen von Körpern, aus denen du dir einen neuen aussuchen kannst. Nur deswegen lasse ich dir die Wahl, Null-Tau zu vermeiden und deine Ehre als Mann zu beweisen. Und jetzt zum letzten gottverdammten Mal, achte auf meine Lippen: Ich. Will. Pryor.«
Kingsley Pryor hatte keine Ahnung, warum er hemmungslos weinte wie ein kleines Kind. Weil er frei war? Weil er besessen gewesen war? Oder weil der Tod nichts Endgültiges war?
Was auch immer der Grund war, die emotionale Woge raste durch seinen Körper wie eine elektrische Entladung. Selbstkontrolle war unmöglich. Nur eins war ziemlich sicher: er weinte. Er lag auf einem seidenen Bettlaken mit einer weichen Matratze unter dem Rückgrat, hatte die Knie bis zum Kinn angezogen und die Arme um die Beine geschlungen. Und es war dunkel. Nicht die Dunkelheit des sensorischen Entzugs, den er in seinem mentalen Gefängnis erlitten hatte, sondern eine wundervolle, echte Dunkelheit mit einem Mosaik grauer Schatten, hinter denen sich Gestalten verbargen. Aber für den Anfang reichte es völlig. Wäre er mitten auf dem Land an einem strahlenden Tag zu sich gekommen, hätte er sich die Augen wahrscheinlich wegen sensorischer Überladung verbrannt.
Ein zischendes Geräusch ertönte, und Kingsley rollte sich womöglich noch enger zusammen. Er spürte einen Lufthauch auf dem Gesicht, und jemand setzte sich neben ihm auf das Bett.
»Es ist alles gut«, flüsterte eine melodische junge Frauenstimme. »Das Schlimmste ist vorbei.«
Finger streichelten seinen Hals. »Du bist zurück. Du bist wieder lebendig.«
»Haben … haben wir gewonnen?« krächzte er.
»Nein, ich fürchte nicht, Kingsley. Die richtige Schlacht hat noch nicht einmal angefangen.«
Kingsley erschauerte unkontrolliert. Es war zuviel. Im Augenblick war einfach alles viel zuviel. Am liebsten wäre er nicht gestorben (Gott bewahre!), aber weit, weit weg gewesen. Und allein.
»Das ist der Grund, aus dem Al dich wieder befreit hat. Du wirst in dieser Schlacht eine Rolle spielen, verstehst du? Eine sehr wichtige Rolle.«
Wie konnte nur jemand mit einer so honigsüßen Stimme über eine derartige Katastrophe reden? Kingsley befahl seiner neuralen Nanonik, ein starkes Beruhigungsprogramm in den Primärmodus zu schalten, und sensorische Empfindungen sowie wogende Emotionen wurden schwächer. Irgend etwas war mit seiner neuralen Nanonik nicht in Ordnung, doch er war gegenwärtig alles andere als imstande, ein Diagnoseprogramm zu starten.
»Wer sind Sie?« fragte er.
Sie legte den Kopf an seine Schulter und schlang die Arme um ihn. Einen Augenblick lang wurde er stark an Clarissa erinnert, ihre Weichheit und Wärme, ihr weiblicher Duft.
»Eine Freundin. Ich wollte nicht, daß Sie aufwachen und ihren Spott ertragen müssen. Das wäre zu entsetzlich gewesen. Sie brauchen mich, mein Mitgefühl. Ich verstehe die Menschen wie niemand sonst. Ich kann Sie auf das vorbereiten, was als nächstes kommt: Das Angebot, das Sie unmöglich ablehnen können.«
Langsam straffte er sich, streckte die Beine, drehte sich um und blickte sie an. Es war die schönste Frau, die er jemals gesehen hatte, ihr Alter unbestimmbar irgendwo zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig, das Gesicht von dichtem lockigem Haar umrahmt, und sie blickte voller Sorge auf ihn herunter.
»Sie … sind wunderschön«, krächzte er.
»Die anderen haben Clarissa gefangengenommen«, sagte sie. »Und den süßen kleinen Webster auch. Es tut mir so leid. Wir wissen, wie sehr Sie die beiden lieben. Demaris Coligan hat es uns verraten.«
»Gefangen?«
»Aber in Sicherheit. Wirklich. Nicht besessen. Ein Kind und eine Frau, denen nichts geschehen ist und
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