Seelengesaenge
freundlichem Ton fort. – Du stehst inzwischen alleine da. Hast du gehört, wie die gute Bonney gestern nach dir gebrüllt hat? Ich habe einen der Nicht-Besessenen vor ihrer Nase in Sicherheit gebracht, in einen Vakzug gesteckt und entführt. Ich glaube, sie war gar nicht glücklich darüber. Dein Name ist mehrmals gefallen.
– Sarkasmus ist wirklich eine erbärmliche Art von Esprit.
– Absolut, mein Junge. Also gib acht, daß er dich nicht auch noch erwischt, wie?
– Niemals.
– Stell dir vor, Kiera macht tatsächlich ein paar Fortschritte. Heute morgen ist der zweite Hellhawk voller Kinder eingetroffen; alle auf der Suche nach der schönen neuen Welt, die sie in ihrer Aufzeichnung versprochen hat. Zwei Dutzend von ihnen; das jüngste war gerade erst neun. Möchtest du gerne sehen, was man ihnen angetan hat, damit sie bereit waren für die Possession? Ich habe sämtliche Erinnerungen gespeichert, niemand hat versucht, meine Wahrnehmung für diese Zeremonie zu stören.
– Halt den Mund!
– Meine Güte, entdecke ich da etwa so etwas wie ein Gewissen bei dir?
– Wie du ganz genau weißt, gebe ich einen Dreck auf das, was mit den Schwachköpfen geschieht, die sich hierher locken lassen. Mich interessiert nur, wie ich dich fertig machen kann.
– Ich verstehe. Aber ich kenne dich besser als Kiera, Junge. Es ist wirklich eine Schande, daß du mich nicht verstehen willst.
– Falsch. Ich habe dich vollkommen verstanden.
– Hast du nicht, Junge. Du weißt nicht, was ich vor dir verberge. Anastasia würde mir danken dafür, und für den Schutz, den ich dir gewährt habe.
Dariat knurrte nur und ließ den Kopf in die Hände sinken. Er hatte sich diesen Platz ausgesucht wegen der Abgeschiedenheit von Kieras Bande von Irren. Er brauchte einen ruhigen Ort zum Meditieren und Nachdenken. Frei von jeder Ablenkung gelang es ihm vielleicht, ein mentales Muster zu formulieren, das imstande war, in Valisks neurales Stratum einzudringen. Doch er fand keine Ruhe. Ständig herrschte Unruhe ringsum; Rubra wurde nicht müde, dieses Spiel zu spielen, diese Andeutungen, die Zweifel, die er säte, die versteckten Hinweise.
Im Verlauf der letzten dreißig Tage hatte Dariat gemeint, Geduld bis zu einem übermenschlichen Ausmaß perfektioniert zu haben. Doch jetzt bemerkte er, daß eine ganz andere Art von Geduld erforderlich war. Trotz all seiner titanischen Entschlossenheit fragte er sich insgeheim immer häufiger, ob Rubra tatsächlich Geheimnisse für sich behalten hatte. Selbstverständlich war das ein dummer Gedanke – Rubra bluffte nur. Er hatte einen geschickten Feldzug aus Desinformation gegen ihn, Dariat, gestartet. Aber einmal angenommen, nur angenommen, Anastasia hatte tatsächlich ein Geheimnis oder Vermächtnis hinterlassen, dann gab es im gesamten Habitat nur eine Person, die davon wissen konnte: Rubra.
Und falls es existierte – warum hatte Rubra nicht längst von diesem Trumpf Gebrauch gemacht? Sie wußten beide, daß dieser Kampf bis zum bittersten aller denkbaren Enden gehen würde.
Anastasia hätte niemals etwas getan, was ihn dazu gebracht hätte, sich selbst zu belügen. Nicht die wunderschöne, geliebte Anastasia, die ihn immer vor Anstid gewarnt hatte. Ihr Gott Thoale hatte dafür Sorge getragen, daß sie die Konsequenz aller Handlungen verstand. Anastasia hatte begriffen, was das Schicksal war. Warum habe ich nie auf sie gehört?
– Anastasia hat kein Geheimnis zurückbehalten, sagte er bestimmt.
– Tatsächlich nicht? In diesem Fall schlage ich dir einen Handel vor, Dariat.
– Kein Interesse.
– Das solltest du aber haben. Ich bitte dich, zu mir zu kommen.
– Was?
– Komm zu mir, hier in das neurale Stratum. Transferiere dein Bewußtsein in Valisk wie ein sterbender Edenit. Wir können eine Dualität werden.
– Das soll doch wohl ein verdammter Witz sein!
– Nein, ich denke bereits seit einiger Zeit darüber nach. Unsere gegenwärtige Situation führt zu keinem guten Ende, weder für dich noch für mich. Wir sind Kiera gegenüber in der Unterzahl, daran wird sich niemals etwas ändern. Aber gemeinsam könnten wir sie leicht schlagen und das Habitat von ihren Kumpanen befreien. Du kannst immer noch Herrscher über Valisk werden.
– Du hast einmal ein interstellares Industrieimperium geführt, Rubra. Sieh dich an, was aus dir geworden ist. Du bist erbärmlich. Verachtenswert. Und das Beste daran ist: Du weißt es selbst.
Rubra wandte seinen primären Wahrnehmungsfokus von dem
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